23.01.2024

Briefe



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ID: 26748
Geschrieben am: Dienstag 28.07.1863
 

Baden d. 28 July 1863.
Meine liebe Elise,
habe Dank für Deine Geduld mit mir! ich hätte Dir längst ’mal schreiben sollen, aber, ich hatte fortwährend Besuch, und dann ist meine Gemüthsstimmung oft so schrecklich, daß ich dann auch nicht schreiben kann. Die Gründe schreiben zu wollen, würde weit führen, und dann, Vieles weißt Du ja! – Auch Du hast recht bewegte Zeit gehabt, und gehst ihr noch wieder entgegen, ein schönes Gefühl muß Euch aber doch die allgemeine Anerkennung Eueres Vaters sein – freilich, spät genug kommt sie gewöhnlich!
Was Deine Anfragen betrifft wegen des Festes, so habe ich mit diesem an Perfall geschrieben, |2| und ist die Sache nun erledigt. Für mich ist’s ein schwerer Stand in einem Concerte ein Concert zu spielen, wo Joachim das Beethoven’sche spielt! ich schlug statt desjenigen meines Mannes ein Mendelssohnsches vor, das wäre nicht so lang, und, ist das Publikum kein besonders gebildetes, dankbarer. Für gemeinschaftliche Soireen bin ich sehr gern, doch etwas darüber bestimmen, das hat ja Zeit bis 8 Tage vorher, vielleicht spreche ich Joachim vorher. Erst gestern erfuhr ich durch Baron Perfall daß er in Salzburg ist – ich wußte seit seinem Hochzeittag nichts von ihm.
Von <Al> Aglaja kann ich |3| Dir nicht viel sagen – ich konnte sie nur einige mal Abends bei mir sehen, und Mad. Viardot spricht wenig über sie, nur sagte sie mir neulich, Aglaja habe gar keine Begabung, was man ihr heute lehre, sey morgen wieder vergessen; sie habe ihr z. B. eine Arie einstudiert, sie dann etwa 14 Tage nicht wieder mit ihr gesungen, und nachdem aber habe sie sie wieder mit den alten Fehlern vorgetragen, und so gehe es immer. Neulich Abend sang sie Lieder bei mir, es waren viele Musiker beisammen, sie waren aber Alle so wenig davon erbaut, daß mir’s ordentlich peinlich war, und ich mir alle Mühe gab einige ┌freundliche┐ Worte herauszubringen, denn |4| sie hatte sie wirklich wieder ebenso abgeschmackt gesungen als früher. An ihr Wesen können wir uns auch durchaus nicht gewöhnen, so guten Willen wir auch hätten.
Ich bleibe für jetzt hier, gehe aber wohl später noch etwas in die Schweiz.
Ich hatte jetzt die Freude <den> einen mir sehr nahestehenden Freund, Kirchner aus Zürich einige Wochen bei mir zu haben, gerade ist er fort, und nun bin ich heute noch so ganz von dem Trennungsschmerz eingenommen, daß Du Nachsicht mit diesen flüchtigen Zeilen haben mußt.
Die Kinder grüßen sehr – Julie wird nächstens an Hedwig schreiben; es geht ihr leidlich.
Leb wohl, theuere Elise. Grüße die gute Mila, und alle die Deinigen von mir Deiner treuen Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: Pacher, Elise von, geb. List (1162)
  Empfangsort: Schloss Johnsdorf
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
433ff.

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 102a/b
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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