Wien d 28ten März 1866.
Liebe Elise,
verzeihe mir, daß ich Dir so lange nicht schrieb, ich hoffte aber immer es eigenhändig thun zu können, jedoch muß ich auch heute dictiren – Du glaubst nicht wie das Schreiben meine Handflexen anstrengt. Ich brauche Dir wohl kaum zu sagen, wie sehr die Nachricht von dem Tode Deiner Mutter mich bestürzt hat, obgleich ja leider dieser traurige Ausgang längst zu befürchten stand. |2| Ich kann mir denken welch’ tiefen Schmerz Ihr empfindet und bitte Euch meiner innigsten Theilnahme versichert zu sein.
Von mir habt Ihr wohl immer Alles durch Julie gehört – ich sitze hier fest und kann nicht loskommen, doch am 5ten muß es nun endlich sein – ich mag gar nicht daran denken, wohl aber viel daran mich doch später hier, für den Winter immer, festzusetzen. Von allen Weltstädten ist doch Wien die, welche am Besten |3| für mich paßt. Ich hoffe wir sprechen bald mündlich über dies wie über manches Andere.
Ich hatte erst die Absicht nach Triest und über Venedig, Innsbruck etc. zu Euch zu kommen, doch habe ich Triest, da die Verhältnisse dort doch gar zu klein sind (so daß auf eine Einnahme von irgend einer Bedeutung gar nicht zu rechnen wäre) aufgegeben, und weiß noch gar nicht was ich von Graz aus thun werde. – Du weißt, daß ich auf dem Düsseldorfer Musicfest |4| spielen werde und nun gehe ich mit dem Gedanken um, wenn es irgend möglich, meine Cur vor dem Fest zu gebrauchen. Dies wird nun auch meinen ferneren Reiseplan bestimmen, und theile ich ihn Euch mit, sobald dies geschehn.
Ich denke mir es müßte eine recht erheiternde Erholung für Euch sein, wenn Ihr Euch aufmachtet und das Düsseldorfer Fest mit anhörtet? Was meinst Du dazu?
In Linz, was Du auch Julien erzählen kannst, ist es mir sehr gut ergangen. Ich wundere mich, daß Binzers sich mir gar nicht genähert haben, denn im |5| Concert waren sie doch gewiß! Wie viel habe ich an Euch gedacht! In sieben Stunden hätten wir beieinander sein können! doch ich mußte ja wegen Graz wieder hierher zurück.
Herzlich erfreuen würdest Du mich, sagtest Du mir bald selbst ein Wort wie es Dir geht. –
Soeben kommt Julchens Sendung. Sage ihr einstweilen unsern schönsten Dank. – Marie schreibt nächstens. – Grüße die liebe Mila und sey wie immer umarmt in alter Treue
von Deiner
Clara.
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