23.01.2024

Briefe



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ID: 26762
Geschrieben am: Donnerstag 27.12.1866
 

Mannheim den 27ten Dez. 1866.
Meine verehrte Freundin,
Welch’ große Freude und Ueberraschung haben Sie mir bereitet, indem Sie meiner so liebevoll gedacht! nehmen Sie meinen innigsten Dank für Ihr schönes liebes Geschenk, was mir oft ein Trost und eine Erheiterung sein soll, ich bin wirklich ganz beschämt daß Sie Alle so freundlich an Julchen gedacht, und küsse Ihnen, meine liebe zärtliche Adoptivmama tausend Mal die Hand; wie gern hätte auch ich Ihnen durch eine kleine Arbeit bewiesen, daß ich oft an Sie und Ihre Liebe denke, aber meine Gesundheit machte mir wieder einmal einen Strich durch die Rechnung, so daß Sie einstweilen mit meinem guten Willen vorlieb nehmen müssen, meine Gedanken waren am Weihnachtsabend oft in der lieben |2| Gartenstraße, und gern hätte ich einen Blick in die bekannten Räume von Nro 13 thun mögen, um zu sehen ob es darin recht heiter ausschaue; ich hoffe es von ganzem Herzen, und bin recht ungeduldig von Hedi zu erfahren, wie Sie das Fest verlebt.
Ich hatte die Freude Elise und Ludwig bei mir zu haben, und wir verbrachten mit Levi, der auch hergekommen einen theilweise recht vergnügten Abend; leider bekam ich gleich nach dem Thee einen sehr heftigen Nerven Anfall, und zwar so stark, wie ich ihn noch nie gehabt; es mußte mir eine Morphium Einspritzung gemacht werden, und in Folge dessen bin ich noch sehr schwach und müde, und darf gar nichts thun; deshalb gelangen auch |3| diese Zeilen später in Ihre Hände als ich beabsichtigte. Ich werde hier mit großer Liebe gepflegt, und fühle mich heimlicher und behaglicher als ich Anfangs hoffte; wie herrlich wäre es, entschlössen Sie sich einen kleinen Ausflug nach Mannheim zu machen, ich sehne mich sehr, meine Pflegemutter wieder zu sehen, und hoffe jedenfalls, daß Sie der Versuchung nicht widerstehen können, im Frühjahr einmal wieder Frau Pastorin’s Küche zu kosten. Ich denke, Sie haben von Mama wohl direct gehört; sie ist jetzt in Düsseldorf, und hatte halb und halb die Idee zu Weihnachten herzukommen; doch wäre es für Frl. Leser, die sich schon lange darauf gefreut, Mama bei sich zu haben, eine große Enttäuschung |4| gewesen, und so mußten wir auf die Freude verzichten.
Bitte danken Sie der lieben Frl. Emilie tausendmal für Ihr schönes Geschenk, und sagen Sie Ihr, daß es mich sehr beschämt aber auch erfreut, daß sie mir einen Theil ihrer so sehr in Anspruch genommenen Zeit gewidmet; ich habe wirklich schon Jahre lang mir einen Federwischer gewünscht, und nie konnte ich dazu kommen, nun bin ich ganz stolz, finde meinen neuen Besitz nur fast zu schön um die Tinte daran abzuputzen. Lassen Sie mich noch zum Schluß Ihnen meine innigsten Wünsche für das neue Jahr senden, die alles das in sich schließen was ein dankbares und innig ergebenes Herz wünschen kann; leben Sie wohl verehrte liebe Frau von Pacher, und senden Sie auch manch’ Mal einen ihrer Gedanken nach Mannheim.
Immer Ihre treu ergebene
Julie.

  Absender: Schumann, Julie (37650)
  Absendeort: Mannheim
  Empfänger: Pacher, Elise von, geb. List (1162)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
463f.

  Standort/Quelle:*) Autograph, Slg. Cornides 114a/b
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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