23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 26793
Geschrieben am: Dienstag 14.07.1874
 

Baden d. 14ten Juli 74.
Liebste Emilie,
Wie Du siehst, kann ich Dir eigenhändig nicht schreiben, möchte es aber doch nicht verschieben, da ich nun meine Cur in Teplitz beendet, Dir eine Nachricht zu geben und vor Allem für Deinen Brief zu danken. Ich kann Dir von mir nichts Besseres mittheilen, im Gegentheil, haben meine Schmerzen noch zugenommen; man vertröstet mich auf die |2| Nachwirkung; möglicher Weise muß ich doch im Herbst noch eine Cur gebrauchen; Seegen, den ich auf der Rückreise in Carlsbad befragt, stimmt sehr für noch eine Cur von 15 Moorbädern, die er für noch wirksamer hält, als Teplitz. Nun, einstweilen gehen wir nach Engelberg, um dort gute, kräftige Luft zu schnappen, vor Allem auch Felix dort zu treffen.
Deine Nachrichten klangen ja recht traurig und ich bitte Dich |3| herzlich, laß mich wissen, wie es Hedi jetzt geht, ob Elise bei ihr und wie es mit den Kindern der Hedi geht, ich meine, mit dem Kleinsten. Ich kann mir denken, wie alle diese Sorgen Dich herunter gebracht haben mögen; ich kann so ganz mit Dir das Gefühl der Ohnmacht empfinden, wenn so die Sorgen sich aufthürmen. Ich kenne das aus Erfahrung – man kommt sich oft ganz morsch vor, bis dann die Nothwendigkeit an uns heran |4| tritt und zwingt, sich aufzuraffen. – Von uns kann ich Dir viel nicht sagen; wir lebten in Teplitz ein sehr monotones Leben und hier soll ich noch eine stille Zeit der Nachkur gebrauchen. Ich denke, das Haus, sobald sich Gelegenheit findet, die jetzt nicht so leicht ist, da die finanziellen Verhältnisse schlecht sind, zu verkaufen, und auch zu vermiethen, wenn sich kein Käufer findet. Schwer genug wird mir der Gedanke, doch sehe ich mehr und mehr ein, daß für meine rheumathischen Leiden, der Aufenthalt hier kein angemessener |5| ist und dazu die erschlaffende Luft auf uns Alle nachtheilig wirkt. Auch möchte ich für die nächste Zeit keine zwei Wirthschaften haben, was theils sehr kostspielig, theils aber auch sehr mühsam für Marie ist, die vieles Wirthschaften gar nicht mehr sehr gut verträgt. Ich trachte nun einen Aufenthalt zu finden, wo ich mir für 3 Monate im Sommer ein Häuschen miethen kann, das völlig eingerichtet ist, so daß wir selbst kochen können, denn von einem Hotel in’s andere ziehen, das kann ich nicht mehr, ohne das größte Unbehagen zu empfinden. |6| Neulich stand im Blatt am Starnberger See ein Besitzthum zu verkaufen zu einem unglaublich billigen Preise, hast Du etwa davon gehört?
Schreibe mir doch auch, wann Elise nach Carlsbad geht? Willst Du denn nichts für Deine Nerven thun?
Frau Joachim gebraucht augenblicklich auch die Cur in Carlsbad; sie hat Gallensteine und im letzten Winter viel daran gelitten. Den August und September gehen sie mit allen Kindern nach Aussee. Daß Stockhausen nach Berlin über gesiedelt, weißt Du wohl?
Leider ist Frl. Junge so krank in Düsseldorf, daß wir das Schlimmste besorgen; was da werden soll, können wir gar nicht absehen. Zu ersetzen wäre diese nie.
Nun, liebe Emilie, lebe wohl, seid Alle gegrüßt und schreibe bald wieder Deiner ◊4getreuen
Clara.
Adr. bis Ende d. M. hier, dann Engelberg, Hotel Titlis.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Baden-Baden
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
572ff.

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 150a/b/c;
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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