23.01.2024

Briefe



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ID: 26806
Geschrieben am: Samstag 27.07.1878
 

Wildbad Gastein d. 27ten Juli 78
bei Meilinger
Liebste Emilie,
lange bin ich Dir Antwort schuldig geblieben, aber ich hatte wieder ganz entsetzlich viel Correspondenz. – Von Lina, die ich in München besucht habe, wirst Du gehört haben, daß es uns so leidlich geht, und, dies kann ich Dir auch heute von hier aus sagen. – Ich finde Gastein herrlich, klimatisch erquickend u. erfrischend ohne die <> rauhe Luft des Engadin. Die Bäder, hoffe ich, sollen ihre Wirkung noch zeigen. –
Dein lieber Brief klang aber recht sorgenvoll u. möchte ich nur, daß es uns gelungen wäre für Elise eine Stellung zu finden, aber es giebt jetzt so Viele, die Stellungen suchen. Ich denke aber wenn sie, wie Du schreibst noch schneidern und kochen lernt, so daß sie einem Haushalt vorstehen kann, so wird es sich leichter machen. – |2| Könnte Elise wohl die Erziehung einer oder mehrer Kinder übernehmen, z. B. in Frankreich od. England deutsch unterrichten? – Bitte schreibe mir doch einmal noch genau, was sie übernehmen kann, ob sie französisch u. englisch kann; – d. i. wonach die Leute immer zuerst fragen. – Mache Dir aber doch ja nicht zu viel Sorgen. Ihr thut ja was Ihr könnt, u. mehr kann man nicht.
Lina fand ich noch sehr betrübt u. habe ich ihr sehr zugeredet sich ernsthaft wieder auf das Malen, wofür sie die Begabung hat, zu legen. – Sie könnte sich damit doch vielleicht (ich meine im kunstgewerblichen Fache) hie u. da etwas verdienen, u., abgesehen davon giebt es ja nichts trostreicheres als eine Kunst mit Begabung üben. Das entreißt sie ihrem Kummer, giebt ihr wohl gar neuen Lebensmuth – in der Wirthschaft hat sie ja wenig mehr zu thun, können auch die Töchter helfen. – –
|3| Unser Umzug ist so weit bewerkstelligt, daß wir im Sept. in unser Haus können – zu thun giebt es ja dann immer noch viel. –
Daß Du mich dann bald ’mal besuchst, darauf hoffe ich sehr. –
Das Badner Haus konnten wir bis jetzt nicht verkaufen. – Die Zeit dazu ist zu schlecht, auch mit dem Vermiethen geht es dies Jahr nicht gut. –
Unsere Pläne sind Ende nächster Woche noch etwas das Gebirge kennen zu lernen u. dann wohl nach dem Schwarzwald zu gehen. –
Ich fürchte, <diese> wir werden uns schwerlich treffen, da Euer Weg doch wohl ein anderer ist. Ich möchte Euch beneiden, daß Ihr einen so schönen Ort habt, wo Ihr immer Alle zusammentrefft. – Man hat viel mehr davon als von dem Hin u. Herreisen. –
Von Elise haben wir gute Nachrichten, sie erwartet im September ihre Niederkunft , und fühlt freilich sehr die Trennung von uns Allen, ist aber sonst sehr glücklich in der Liebe ihres Mannes. Welch ein Kummer ist es mir immer wieder, daß die Beiden so fern sind!
|4| Felix war seit Monaten in Sorrent, klagt aber so furchtbar, fühlt sich so elend, daß er bittet, wir sollen ihn nächsten Winter bei uns behalten. Was soll ich thuen, versucht ist Alles, nun wollen wir ihn zu Hause pflegen, und <haben> haben dann wenigstens das Bewußtseyn, ihm seine Leiden zu erleichtern durch Liebe und Pflege.
Jetzt weißt Du Alles von uns – doch, von Eugenie sagte ich Dir nicht, daß sie mit ihrer Freundin, der Fillunger in der Prein bei Peierbach (2 Stunden von Wien) ist. Sie fürchtete sich vor der hohen Luft, hätte die hiesige aber sehr gut vertragen, denn hier ist es nie rauh.
So leb denn wohl, meine liebe Emilie – mit all den Deinen, die herzlich von mir grüße. Wann seyd Ihr wieder in München? Wir kommen wohl im August wieder durch.
In alter Treue
Deine Clara.
Unsere Frankfurther Adresse ist: 32 Myliusstrasse. Anfang Septbr. gehen wir dorthin.
Marie wurde abgerufen, daher ich selbst weiter schrieb. Sie grüßt sehr.
[Umschlag]
Oestreich.
Fräulein
Emilie List.
bei Frau v. Pacher
in
Schönau bei
Wien.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Wildbad Gastein
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: Schönau
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
600-603

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 162a/b;
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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