23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 26859
Geschrieben am: Sonntag 30.12.1883
 

Frankf. d. 30 ┌Dec. ┐ 83
Liebste Emilie,
hätte ich meinem Herzenszuge folgen können, ich hätte Dir längst geschrieben, aber es kam mir diese Zeit wieder <das> so viel zu thuen, daß ich zuweilen den Kopf verliere und die Flügel muthlos hängen lasse, weil ich es nicht mehr bezwingen kann. Jetzt ist wieder, |2| kaum Weihnachten vorüber, Neujahr, wo das Schreiben kein Ende hat. – Nun vor allem Dank, liebste Mila, für Deine Nachrichten, die doch wenigstens was Hedi betrifft, erfreulich waren. Ginge es nur der armen Elise besser, und Dir Du Arme, die Du nun auch noch wieder Dein altes Leiden hast! ach, man hört so viel Trauriges, so wenig Gutes.
Bei uns ist, Gott sey Dank, diesmal das Fest ungetrübt verflossen, Elisens Kinder waren |3| selig, jubelten, und erfreuten damit unsere Herzen. –
Ich habe einige sehr befriedigende Reisen nach Berlin, Holland, Barmen gemacht, u. jetzt will ich in Wiesbaden spielen. Wills Gott, daß ich mich wohl genug befinde, so folge ich vielleicht den dringenden Bitten meiner Freunde in London und des Herrn Chappell (der die Concerte giebt, in Denen Joachim und ich immer mitwirken) im März dahin zu reisen. Jetzt beschließe ich noch nichts.
|4| Das Schicksal der armen Frau Fleischl hat uns auch sehr bestürzt – es war doch nur Lenbach, obgleich Levi mir schreibt, Dieser habe gar keine Schuld. Diese Männer gefallen sich immer in solchen intimsten Freundschaftsverhältnissen, wo dann die Gränze ist, darüber denken sie nicht. Jetzt mag es dem Lenbach – doch sehr arg sein, ich begreife nicht, wenn Einer solch ein Bewußtseyn erträgt. Levi geht es ja leider recht schlecht, ich bin recht beunruhigt für ihn! diese Leute Alle leben doch gar zu sehr auf ihre Gesundheit los, dann kommt’s mit einem Male, daß es nicht mehr geht.
|5| Meine theuere Emilie Du denkst doch ernstlich an – mich, im Frühjahr? wenn wir nach London gehen, so kommen wir nach Ostern zurück, u. bleiben dann bis Juli hier, so viel ich bis jetzt weiß.
Sende mir doch öfters einmal eine Karte, ich thue es dann auch, und nun noch meine treuesten wärmsten Wünsche für Euch Alle in’s neue Jahr hinein – möchte es ’mal wieder glücklicher für Euch werden.
In alter Liebe
Deine Clara.
|6| Meine Töchter senden ihre herzlichsten Wünsche für Euer ganzes Haus! –
[Umschlag]
Fraeulein
Emilie List.
in
München.
35 Gartenstrasse.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
687ff.

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 215
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.