Frankf. a/M d. 14 Nov 1885.
Liebste Emilie,
wie lange hörte ich nichts von Euch! immer schon wollte ich fragen, wie es bei Euch geht, aber ich muß ja immer meinen Arm schonen, u. dictire dann immer nur das Nöthigste. Heute ist es nun noch ein anderer Beweggrund, der mich zu raschem Entschlusse brachte, an Dich zu schreiben. |2| Eine langjährige Freundin von mir Frau Kissel die jetzt mit ihrem Mann allein ein großes Haus bewohnt, die Wirthschaft aber nicht mehr allein bewältigen kann, u. auch so sehr Jemand Gebildetes um sich haben möchte, eine Vertrauensperson, frug mich, ob ich Niemand für sie wisse? (Eugenie schreibt weiter, es strengt meinen Arm zu sehr an.) Da fiel uns nun Elise Hövemeier ein, und ich ver-|3|sprach ihr gleich bei Dir anzufragen, ob sie sich zu so einer Stellung eignen und verstehen würde. Sie hat die Oberaufsicht über die Wirthschaft zu führen, ferner Alle<s> Rechnungsbücher des Hauses zu führen, muss Autorität über die Dienstboten haben und Herrn u. Frau Kissel je nach Bedürfniss Gesellschaft leisten, auch Frau Kissel beistehen, wenn sie Gäste bei sich haben etc. etc. kurz, sie muss das sein, |4| was man eine Stütze der Hausfrau nennt. Du weisst, Kissels sind reiche Leute, u. werden gewiss gut honoriren, wenn es einmal so weit käme. Bitte antworte mir augenblicklich hierüber, da die Sache drängt, Frau Kissel nicht mehr warten will. – Frau K. ist im Verkehr eine höchst sympathische Frau, wie sie in ihrem Hause ist, weiss ich nicht; daher würde ich rathen, dass Elise erst Mal einen Versuch dort machte, was auch |5| Frau K. sehr recht wäre. Leben sie sich zusammen ein, so kann die Stellung sehr angenehm sein.
Von uns kann ich Dir so weit Gutes sagen, d. h. im Ganzen, Grossen. Sorgen bleiben bei uns ja nie aus, und damit will ich Dich schriftlich nicht ermüden. Ich hoffe übernächste Woche nach Leipzig gehen zu können, um im neuen Gewandhaus zu spielen.
Sei mit all den Deinen herzlich gegrüsst, liebe Mila, und zum Schluss |6| noch, will ich Dir mittheilen, dass nächste Woche die Briefe Robert’s erscheinen werden. Das war noch eine grosse Arbeit, viel grösser, als wir es je gedacht hätten.
In alter Treue
Deine
Clara.
|