Frankfurt, den 29. December 87.
Meine liebste Mila!
Hoch rechne ich es Dir an, daß Du Dich einmal wieder zu einem Brief an mich ermannt, danke Dir herzlichst dafür, und sende auch Euch Allen die wärmsten Wünsche zum neuen Jahr. Möge vor Allem die Reconvalescenz der lieben Patienten schnell vor sich gehen. Ach Gott, man wird der Sorgen in großen Familien |2| ja nie ledig. Leider sieht es bei uns in dieser Hinsicht auch traurig genug aus, und ich denke, Du wirst Fräulein Fillunger indessen gesprochen haben, die Dich aufsuchen wollte. Sie konnte Dir besser erzählen, als ich es schreiben könnte, was wir mit Ferdinand durchgemacht haben und wie traurig es da immer noch steht. Frl. Fill. ging für acht Tage zu Herzogenberg’s, um ihnen·etwas über das Weihnachtsfest hinweg zu helfen. Diese sind wirklich merkwürdig |3| elastische Menschen – in ihrer Lage ein doppelter Segen.
Sehr erfreut war ich über Deinen Bericht über das „Atelier Elvira“, und ich hoffe, Du wirst nicht versäumen, mir ein lebendiges Zeichen ihrer Geschicklichkeit zu geben, und so leb denn wohl für heute! Eben war ich fertig geworden mit der Beantwortung der Geburtstagwünsche; jetzt geht die Sache von Neuem los zu Neujahr, das mir gewöhnlich gegen hundert Briefe einträgt – da giebt |4| es die nächsten Monate wieder zu schreiben, und, wie Du siehst, kann ich es nicht einmal eigenhändig thun, da ich in nächster Zeit in Stuttgart zu spielen versprochen, und sehr vorsichtig sein muß. Leider laborire ich seit acht Tagen an einem Unterleibsleiden; wenn das nicht wegzubringen ist, so muß ich in Stuttgart abschreiben. Die große Kälte ist auch schlimm zum Reisen.
Nun sey mir umarmt, grüße Alle die Deinen, und denke manchmal an
Deine alte treue Clara.
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