23.01.2024

Briefe



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ID: 26892
Geschrieben am: Montag 06.02.1888
 

Frankfurt a/m 6/2.
Meine liebe Emilie!
Du kannst Dir denken mit welcher Theilnahme und Bestürzung ich Deinen lieben Brief empfangen. Gott sei Dank beruhigte er mich in so fern als Du doch Ausfahrten und eine Reise wagen darfst, das ist gewiß ein guter Gedanke mit Italien, und gar zu gern möchte ich mit Euch dort zusammentreffen, denn auch wir haben so einen leisen Gedanken auf Ita, jedoch erst später, nicht vor April, denn ich fürchte zu sehr die |2| Kälte dort in den Häusern, und ich möchte Euch doch erinnern, ja recht vorsichtig zu sein. Du schreibst mir doch auf alle Fälle wo Ihr hin geht, und wann? Was für eine Freude würde es uns sein, mit Euch zusammen zu treffen und auch den lieben alten Oldenburgs einmal näher zu treten, zu denen ich, wie du weißt, so viel Sympathie habe.
Ich habe nun Deine Schützlingin endlich gehört, und muß Dir aber leider, unter uns, sagen, daß ich finde, sie kann noch sehr wenig; auf alle Fälle scheint mir, sie wird es schon der kleinen Stimme halber, kaum weiter bringen als bis zur Soubrette. Ihre Erscheinung ist aber reizend, wie eine Knospe |3| sieht sie aus – das ist doch schon ein großer Geleitbrief, freilich nicht vom künstlerischen Standpunkt aus.
Wir sind soweit wohl, nur habe ich viel mit den Armen zu kämpfen, und es daher doch vernünftiger gefunden, in England abzuschreiben, was freilich ein großer Kampf für mich war.
Die Briefe zwischen Wagner u. Liszt habe ich noch nicht gelesen, wohl aber eine Kritik in unserer Zeitung, die ganz mit Deinem Urtheil übereinstimmt, und was ich mir eigentlich schon, ohne sie gelesen zu haben, gedacht habe, daß man aus Liszt’s Briefen den nobelen, aus Wagners den unnobelen kennen lernen muß, wenn man es nicht |4| so schon wüßte. Unbegreiflich ist es mir aber, daß die Frau Wagner die Veröffentlichung zugegeben hat. Besitzest Du die Briefe, so wäre ich Dir recht dankbar, wenn Du sie mir für eine kurze Zeit liehest – an denen von Liszt erfreute ich mich gern. Und nun zum Schluß bitte ich Dich noch Oldenburgs meine herzlichen Glückwünsche zu den frohen Ereignissen zu sagen.
Du, meine liebe Mila, sey mir herzlichst umarmt, u. möge es Dir bald besser gehen, und Du in vollen Zügen <a> der Riviera genießen.
Deine alte
Clara.
Die Kinder grüßen sehr; Marie hat sich leider vor 14 Tagen auf dem Glatteis die Hand verstaucht, was wohl, nach Arztes Aussage, eine Geschichte von 8 Wochen sein wird – eine doppelte Geduldsprobe für die thätige Marie. Du hast keinen Begriff, was sie mit dem Einen Arme, z. Glück ist es der rechte, zu Stande bringt; mit welcher Geschicklichkeit sie hantirt. Vom Ferdinand hatten wir doch etwas bessere Nachrichten, und, was ich Dir wohl noch nicht mitgetheilt, für Julie eine Stelle im Luisenstift in Berlin zu Ostern durch die ganz besondere Gnade der Kronprinzessin – So hat denn mein Besuch bei derselben, damals in Ems, doch das gewünschte Resultat gebracht.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: List, Emilie (962)
  Empfangsort: München
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
746-749

  Standort/Quelle:*) Slg. Cornides 267
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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