Schloß Buldern, 26. Juli 1836.
Abends 6 Uhr.
Meine theure geliebte Clara,
Du hättest wohl nie gedacht, Du liebe gute Seele, daß Du Deiner Ernestine nach Westphalen schreiben würdest, nicht wahr. O Gott, in einem Jahre kann sich so vieles verändern, können Menschen so ganz andern Sinnes werden, daß man staunt und nicht begreifen kann, wie das möglich ist. Und doch ist es so, ich für mein Theil habe mich nicht im Mindesten geändert, immer noch mein Herz behalten, und das glaube ich für mein ganzes Leben, doch das Herz hat ja einen unerschöpflichen Reichthum an Liebe, und so laß uns noch nicht verzweifeln und glaube daß es noch mehr Menschen giebt, die uns kennen und bedauern und uns wieder lieben, wenn gleich wir ein Herz verloren haben, das wir von ganzer Seele liebten und uns wieder von ihr geliebt glaubten. Alles war nur ein Traum, und o welch schreckliches Erwachen! – O wer mir das vor zwei Jahren gesagt hätte, ich würde gelacht haben und ihn gradezu gesagt, Du lügest. – – Ich habe viel, viel gelitten, seid ich von Dir schied, wollte ich Dir alles aufzählen, Du würdest es doch nicht glauben, es nicht für möglich halten, es ist manches darin von so delicater Art, daß man froh ist, wenn es Niemand anders weiß, aber Dir meine Klara die so harmonisch mit meinen Herzen fühlt, Dir kann ich alles sagen, denn Du leidest ja so wie ich vor Jahren litt und noch jetzt, wenn gleich jetzt nicht mehr so heftig wie vor 6–7 Monaten. Seit dieser Zeit bin ich ruhiger geworden, seit 3 Monaten zufrieden, ich ergebe mich in mein Schicksal und bitte Gott täglich um Muth und Kraft, meine Leiden zu ertragen, das doch wohl noch ein Ende nehmen wird, verzweifle Du auch nicht liebe gute Clara, denke nur an mich, was ich litt, der Kummer tödtet nicht, sonst wäre ich längst aus dieser Welt, vielleicht besser für mich, denn ich glaube an kein Glück mehr, für mich blüht keins mehr, für mich ist der Himmel auf immer verschlossen –
Ich schrieb Emilien so viel nicht davon, denn Emilie versteht mich nicht, sie fühlt nicht für Sch. und kann das also nicht begreifen. Ich kann sagen, daß ich diesen Mann sehr, sehr geliebt habe, wie vielleicht nie mehr, es haben sich mir seid Leipzig schon so viele Männer mit Liebe genaht, aber nie kann ich Dir heilig versichern, nie fühlte ich im Geringsten das, wie für Schumann. Jetzt ist aber meine Liebe für Sch. weg, wenn gleich noch nicht ganz, aber viel viel schwächer geworden, ich sehe, daß er Liebe durchaus nicht verdient, und ändert er sich nicht, so kann man ihn ja auch nicht mehr achten, Du hast ganz recht, nur als Künstler nicht aber als Mensch. Ich war mit ihm versprochen, ganz fest, was Ihr alle nicht glaubtet, als Du damals von Dresden zurück warst, sagte er mir, an den Abend, als wir in der Sonne beisammen waren, erinnerst Du Dich es noch, daß Dein Vater meinen Vater von unserer Liebe geschrieben hätte, damals erwähnte er das erste Mal Liebe, sonst nie zuvor gegen mich, ich wußte recht gut, daß er mich gerne leiden mochte, wie er wenigstens gegen Andere äußerte, ob es dann Verstellung war, oder ob er dies wirklich fühlte, weiß ich nicht, aber ich kann Dir sagen, Sch. hatte mich einmal sehr geliebt, das weiß ich bestimmt, er war einmal böse mit mir lange Zeit mich kränkte dies sehr und ich bekam die Brustkrämpfe, ich sagte Magenkrämpfe wußte aber recht gut von einen Arzt, den ich nicht nennen will und den ich um meinen Zustand fragte, daß es Brustkrämpfe waren, wenn dieser Kummer fortgegangen wäre, ich hätte ganz bestimmt die Zehrung bekommen.
Damals fing ich an Bürk so auszuzeichnen, um die Aufmerksamkeit auf mich auf etwas anderes zu lenken und damals war auch Sch. böse, ich ließ es ihm dadurch fühlen, daß ich nicht nur ihm allein gern hätte, denn ich kann Dir sagen, hätte ich Sch. nicht so sehr geliebt, ich würde bald für Gustav Schlesinger gefühlt haben, denn dieser Mensch interessierte mich sehr.