23.01.2024

Briefe



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ID: 27228
Geschrieben am: Mittwoch 07.09.1836
 

Schloß Buldern d. 7. Septr.
Meine theure geliebte Clara,
Du zürnst gewiß schon lange Deiner Freundin Ernestine, daß Sie Dich so ohne Antwort läßt, o, u. da [sic] hättest wohl auch Recht, wenn ich nicht so manifach [sic] davon abgehalten worden wäre. Wir hatten aber 2 Monate das ganze Haus voll Besuch u. dann diese letzte Zeit war ich krank und konnte nicht. Das Leben ist mir zuwieder, keine Freude kein Vergnügen habe ich mehr, es ist für mich alles dahin; doch hoffe ich daß sich das in einiger Zeit ganz wieder bessert, man soll so die Hoffnung nicht aufgeben, auf ein höheres Wesen u. ein gütiges Schicksal, das vergilt was wir zumal gelitten u. uns den Schmerz u. Verzweiflung nicht unterliegen läßt. Du verlangst meine Theure daß ich Dir Alles ausführlich schreiben soll, ach was verlangst Du da von mir? Glaubst Du nicht, daß mir das einen ungeheuern Schmerz verursacht jedes Einzelne erlebte Dir vor zu erzählen. O, das kostet mich mal Schmerz der das Herz angreift, Du weißt ja daß ich in keinen Verhältniß mit ihm stehe, nichts, gar nichts von ihm weiß u. nun also, was willst Du noch mehr? Du kannst nicht begreifen wie es möglich war, daß wir uns verloben konnten u. daß wir uns öfter sahen, ohne Deinen guten Vater! – Ja meine liebe Klara, damals gab es Freunde, die uns die Hand hülfreich dazu boten, wer u. wo u. was sie sind das waren Vertrauenszeichen, nie kann u. darf ich Dir etwas sagen, es kam noch nie aus meinen Mund u. wird es nie in meinen Leben. Emilie die schreibt auch so verkehrtes Zeug von Schumann, ich glaube sie hat mich nie geliebt u. wer Schumann liebt, o, der urtheilt gewiß nicht so von ihm. Freilich hat er sehr schlecht an mir gehandelt daß [sic] weiß ich recht gut und überdies habe ich ihm ja alles vergeben was er mir Leides gethan hat.
Aber ich möchte ihn jetzt um keinen Preis sehen, gar nicht mehr, nie mehr in meinem Leben! – – – –
Mein Vater kam, er war sehr ängstlich, doch benahm er sich damals sehr gut und auch mein Vater hatte den schönen jungen Mann sehr gern, so daß er mich den Abend nach ihm fragte wie mein Vater gewöhnlich thut, wenn ihm Jemand interessirte. Dann kam Henriette und holte mich aus den Gasthof zu sich, da begegnete uns Schumann Abend 9 Uhr, u. ging mit zu Voigts. Da nun besprachen wir uns über Alles näher. Ich kam fort von Leipzig, nachdem ich ihn am Tage nachher zum Letztenmal sah u. Abschied von ihm nahm, den Abschied näher zu beschreiben erlaß mir. Am andern Tag um 10 Uhr fuhr ich von Leipzig. Meine Gefühle als ich von Leipzig fuhr, kann ich nicht sagen, sie vertragen keine Schilderung, mein einziger Trost war sein Ring, u. sein Bild, mein Vater sprach mir was er nur konnte, es half zu gar nichts, wie eine Niobe der das Schicksal ihr Liebstes geraubt hatte saß ich im Wagen nichts vermochte mir ein Lächeln abzuerringen, ich weinte fort. Abends sah ich ihn in Zwickau bei seiner Mutter denn er mußte nach reisen, meine Thränen als ich ihn den letzten Kuß gab, o, ich hätte vergehen können – – – – Er schrieb mir viel u. o, so herrliche Briefe, Du kennst sie ja, neulich schrieb er mir er hätte recht Lust zu uns zu kommen, und den Tag darauf kam er wirklich zu uns nach Asch, meine unbeschreibliche Freude kannst Du Dir denken, o er war so unwiederstehlich und hatte mich so lieb – – – Einen Schleier über alles. Der Winter verging, der Sommer, es kam wie der der Winter da schrieb er mir, von fehlgeschlagenen Hoffnungen etc. endlich kam der Sommer, es kam wieder der Herbst, da schrieb er mir einen Schwesterbrief, den ich noch habe, er wiederrief dann später die Schwester. Endlich kam der Winter wieder, der Sommer, und ich war 4 Wochen im Bad voriges Jahr weil ich es sehr nöthig hatte und wir viele Bekannte dort fanden. Ich kam mit hierher im Bad schrieb er mir fleißig und ich ihm, alles heimlich, nur mit Wissen meiner guten Mutter, die mich oft bad [sic] das Verhältniß aufzugeben, hätte ich der guten Frau gefolgt! – – Er schrieb mir hier auch einige male, man ruft mich – – – gnädiges Fräulein! Nun lache nicht über das gnädige Fräulein Adieu.

  Absender: Fricken, Ernestine (40356)
  Absendeort: Schloss Buldern
  Empfänger: Wieck, Clara, verh. Schumann, Clara (3152)
  Empfangsort: Leipzig
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 27
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Österreich, Ungarn und Böhmen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Michael Heinemann, Anselm Eber, Jelena Josic, Carlos Lozano Fernandez und Thomas Synofzik / Verlag Christoph Dohr Köln / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-052-0
589-592

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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