23.01.2024

Briefe



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ID: 27231
Geschrieben am: Samstag 10.09.1836
 

D. 10. Septbr. Abends.
Zürne mir ja nicht daß ich Dich so lange auf Antwort warten ließ u. laß mich ja nicht lange auf Antwort schmachten, fast verzweifle ich, Du weißt ja daß ich hier wie in einen Gefängniß lebe u. keine Freude habe, als die Briefe von meinen lieben Bekannten u. Freunden, es ist das Einzige noch. Man ist hier so abgeschieden von der Welt, hört und sieht gar nichts, recht traurig ist es hier, oft zum Vergehen. Die allerliebsten Kinder die sie hier haben, sind oft im Stande mich etwas aufzuheitern, aber jetzt bin ich doch mal etwas lustiger als sonst, mache oft Spas u. werde manchmal geneckt u. geplagt mit den Herren hier. In einen Städtchen 2 Stunden von hier, war ich zu einen Schützenfest, vor 3 Wochen u. tanzte viel. Ich kann nicht begreifen wie Schumann sich erdreisten konnte, Dir zu sagen, ich sei Braut mit einen Gutsbesitzer, nachdem er wußte da es gar nicht im Geringsten der Fall war noch ist, gar nicht daran zu denken, wäre ich es nur, sollte mir sehr lieb sein, doch Gott verläßt mich ja gewiß nicht ich hoffe mit Vertrauen auf ihn, er prüfet die Kinder hart, die er am liebsten hat, wer weiß wie unglücklich ich mit Schumann geworden wäre. Und er besseres Dir nicht sagen, daß ich Braut sei? Schumann, Schumann wie konntest Du so handeln gegen mich? Doch ich soll ihm alles vergeben u. bitte Gott, daß er es ihm nicht vergelten lasse, täglich. Sogar in Münster hörte ich diesmal von ihm, da ein Bekannter Namens Schmidt dort wohnt, ein Referendar, daß er jetzt so schrecklich trinken sollte und gewiß nicht im Stände wäre, etwas zu arbeiten, bevor er nicht wenigstens 2 Flaschen Champagner getrunken hätte, mein Gott wie muß dieser Mensch aussehen – – – Wenn er sich trennte von mir, kann ich Dir nicht sagen, denn mir ist es ja selbst ganz unbewußt, er schrieb mir, ich sollte mich retten, da ich noch könnte, er alles um ihm her, daß ist das Ganze, sonst weiß ich ja keine Ursache, denn er schrieb mir keine, u. mich erst in langen Fragen einlassen, nein das that ich nicht, ich gab ihm gleich frei ganz frei. –
Mit meinen Clavierspiel sieht es schlecht aus, ich habe alles vergessen, diese Trennung hat mir alles geraubt, Schumann ist der ganze Schuldner an meinen Unglück jetzt, denn ich fühle mich ganz verlassen u. unglücklich. Vertraue auf Gott, er verläßt Dich nicht! – – Es wird zu dunkel zum Schreiben, die große schwarze Wolke über mir hat ganz dunkel gemacht. Adieu bis morgen am Sonntag.

  Absender: Fricken, Ernestine von (488)
  Absendeort: Schloss Buldern
  Empfänger: Wieck, Clara, verh. Schumann, Clara (3152)
  Empfangsort: Leipzig
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 27
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Österreich, Ungarn und Böhmen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Michael Heinemann, Anselm Eber, Jelena Josic, Carlos Lozano Fernandez und Thomas Synofzik / Verlag Christoph Dohr Köln / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-052-0
594f.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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