23.01.2024

Briefe



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ID: 2903
Geschrieben am: Sonntag 22.11.1840
 

Mein Herr Doctor
Vor kurzer Zeit erst kommt mir die schindlersche Biographie Beethovens in die Hände, da Neuigkeiten nicht so schnell bis zu meinem kleinen Wohn¬ort2 gelangen. Ich lese, und je mehr ich lese fällt es mir auf, daß Hh. Sch. Dinge von Beethoven erzählt, die doch gerade das besthätigen, wogegen er mit aller macht zu Felde zieht z. B. Beethovens <U>ungezogene Manieren; sowie, daß er just darin dessen großen Geist erkennen will. Es kommt mir als ein großes Unrecht vor, daß er nur den kleinsten Theil der vorhandenen Materialien zur Biographie benutzt hat, so wie mir aufgefallen ist wie wenig |2| er über den Vortrag beethovenscher Werke sagt; und wie er dem Werke einem Anhang geben kann, der es ohne Noth nur kostspieliger macht.
Vor Allem aber ward ich stutzig über den schmählichen Ausfall gegen Weber, der einer boshaften Rache für irgend eine Beleidigung gar nicht unähnlich sieht, und ein schlechtes Licht auf Hh. Schindlers Charakter wirft.
Bei meinem jetzigen Aufenthalt in Dresden, nahm ich daher Gelegen¬heit, mir von Webers Wittwe einigen Aufschluß zu verschaffen. Der Name Schind[ler] war ihr selber unbekannt, in Webers Briefen ist sein Name nie erwähnt. Daß aber der ganze Ausfall lügenhaft sei, ließ sich sehr bald aus den Briefen ersehen, so wie auch aus der Leipz. mus. Zeitung. Um so mehr empörte mich die Sache, und ich nahm mir vor, diese so gut ich könnte zu beleuchten, und so |3| entstand denn beifolgender Aufsatz. Daß ich nichts weniger als Schriftsteller bin, werden Sie aus wenigen Zeilen schon ersehn, das dünkt mir aber auch gar nicht nöthig, um sich über Unrecht auszuspre¬chen; es gehört dazu nur, daß man selber das Unrecht vermeidet.
Ich übergebe <es> Ihnen dieses Manuscript mit der Bitte, es recht bald zu veröffentlichen, wenn Sie anders nichts dagegen haben, ihm einen Platz in Ihrer Zeitschrift für Musik anzuweisen. Die Sache selber verdient gewiß, daß recht bald etwas dagegen geschieht.
Sollten Sie mir etwas zu erwi<e>dern haben, oder das Ganze nicht recht finden, so bitte ich um ganz offne Mittheilung, und zwar so bald als möglich; und bitte ich die Briefe unter meinem Namen an die Musikalien¬handlung von Gust. Rotter in Neustadt-Dresden zu adressiren.
Mit größter Hochachtung Ew. Wohlgeb.
ergebenster
Wold. Biering568 Woldemar Biering
Dresden d. 22t Nov. 40.

  Absender: Biering, Woldemar (206)
  Absendeort: Dresden
  Empfänger: Schumann, Robert (1455)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 22
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Dresden / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Carlos Lozano Fernandez und Renate Brunner / Dohr / Erschienen: 2021
ISBN: 978-3-86846-032-2
567 f.

  Standort/Quelle:*) PL-Kj, Korespondencja Schumanna, Bd. 11 Nr. 1728
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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