Sehr geehrter Herr Kapellmeister!
Schon früher durch meinen ehemaligen Musiklehrer M. Wentzel, u neuerdings durch Herrn Bartholf Senf darauf aufmerksam gemacht, daß Sie, wie so viele andere Operncomponisten, mit der Diogeneslaterne ein gutes libretto suchen, nehme ich mir hiermit die Freiheit, Ihnen in dieser Hinsicht meine Mühe zur Verfügung zu stellen. Bereits seit einigen Jahren und zwar nicht ohne Erfolg für die deutsche Bühne thätig, habe ich es versucht, die in meiner Jugend erlangte musikalische Bildung mit meinen literarischen Anlagen zu amalgamiren, und bin neuerdings auf dem Felde der Operndichtung thätig. Für Lindpaintener in Stuttgart ein Concertoratorium, für Markull in Danzig eine komische Oper: Das Walpurgisfest, woran er gegenwärtig componirt, für das Conservatorium in Leipzig eine romatische Oper: der Liebesbronnen (den Zöglingen als Übungstext bestimmt); Aufträge über bestimmte Sujets habe ich gegenwärtig von den hiesigen Herren Rietz und David und von Litolf in Braunschweig. Sie mögen daraus ersehen, daß ich mit dem bereits Geleisteten einiges Zutrauen erweckt habe. So eben vollendete ich einen sehr hübschen Stoff aus den letzten Maurenkämpfen Spanien, den ich natürlich mit den Gebilden meiner Phantasie ausschmückte. Das Ganze ist äußerst dramatisch und voller Effecte für Composition und Darstellung; es dürfte dem Tonkünstler reichliche Gelegenheit bieten, die Fülle seiner Gedanken nach den verschiedenartigsten Richtungen hin zu entfalten. Ich stecke mir rationeller Weise bei jeder Textdichtung folgendes Ziel: Viel Handlung, wenig Reflexion, nur skizzenhafte Ausführung, damit die Breite des Wortes den Componisten nicht hindere; der Dichter soll ja nur das Skelett zu dem Fleische der Musik liefern; - leicht componirbare Verse, passende Abwechslung der Nummern Mannichfaltigkeit der Situation. – Vielleicht habe ich dieses Ziel auch im König der Berge erreicht, und dürfte hoffen, daß Sie diesen Text mit Wohlgefallen aufnehmen. Zu gewünschten Änderungen würde ich mich selbstverständlich verstehen. – Meine – gewiß bescheidene – Honorarforderung beträgt 15 Friedrichs`dor, zahlbar 4 Wochen nach Annahme des Textes. – Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich Sie freundlichst um baldige Entscheidung ersuche, da ich gern ohne Zögerung mit dem Text ein Resultat zu erzielen wünschte. Für den Fall, daß Sie den Text zu behalten wünschten, einige, größere oder kleinere, Änderungen beliebten, ersuche ich Sie, denselben nicht zurückzusenden, da ich noch ein Brouillon davon besitze. Jedenfalls hoffe ich, daß aus diesem meinem Anerbieten eine mir äußerst schützenswerthe Verbindung mit Ihrem Genius für die Zukunft entspringen werde.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Ihr ergebenster
Julius Eduard Hartmann
dramatischer Schriftsteller
Leipzig d. 15/6 51.
Adresse: Brühl, Leinwandhalle 2 Treppen
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