Düsseldorf, den 13. Mai 1851.
Sehr geehrter Herr!
Die letztvergangenen Wochen waren so unruhevoll, durch Proben, Aufführungen wie andere Arbeiten mir so zerstückelt, daß ich an Anderes zu denken mich kaum sammeln konnte. Wie vielen Dank bin ich Ihnen schuldig für Ihre Sendung; der große Ernst, mit dem Sie das Werk angefaßt, bestärkt mich noch immer im Glauben, daß wir vereint gewiß etwas zu Stande bringen müßten. Aber ich weiß nicht, ob wir auf diesen Anfang fortbauen können. Die Composition des Vorspiels allein, wie sehr mir die einzelnen Gedanken daran zusagen, würde allein einen Abend ausfüllen, und mit der Idee eines zweitheiligen Oratoriums, das zu verschiedenen Tagen zu geben wäre, kann ich mich durchaus nicht befreunden und halte sie für keine glückliche.
Aber was nun? Ich glaube, wir müssen den Stoff auf die einfachsten Züge zurückführen oder nur wenige der großen Begebenheiten aus Luthers Leben herausnehmen. Auch glaube ich, dürfen wir dem Eingreifen übersinnlicher Wesen nicht zu großen Platz einräumen; es will mir nicht zu des Reformators ganzem Charakter passen, wie wir ihn nun einmal recht als einen geraden, männlichen und auf sich selbst gegründeten kennen.
Wie schwer ist es, dies und Aehnliches sich brieflich klar zu machen; wie schnell würden wir zum Ziel kommen, könnten wir einige Zeit zusammen leben. Dies wäre mein Wunsch.
Mit dem größten Schmerz würde ich’s hören, wenn Sie die Schwierigkeiten, die sich entgegenstellen, veranlassen sollten, das Werk ganz aufzugeben. Schon freute ich mich, noch diesen Sommer ein Stück in der Arbeit vorwärts zu kommen. So möchten Sie mir denn bald ein Zeichen geben, ich meine Ihrer theilnehmenden Gesinnung, und ob wir nicht der herrlichen Idee, die uns erfüllt, uns zu bemeistern trachten.
Seien Sie vielmals gegrüßt von
Ihrem
dankbar ergebenen
R. Schumann.
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