Mein hochverehrter Freund!
Schon lange habe ich Ihnen für Uebersendung des Genoveva-Buches danken wollen, zur Erleichterung meines Herzens. Es war mir durch absolute Hindernisse unmöglich am Abend der ersten Aufführung in Leipzig zu sein und ich werde dieß mein Leben lang beklagen; dieses Fest versäumt zu haben, von welchem man eine neue Richtung in der Oper datiren wird. Sie haben gewiß Alles bezügliche längst mit Leipziger und auswärtigen Freunden durchgesprochen, doch kann ich meine Meinung auch nicht zurückhalten, daß der von Ihnen betretene Weg (der musikalischen Zusammenziehung der Akte in sich) allein zum Ziele führt. Sobald es mir möglich wird, fahre ich zu einer Aufführung herüber. Einstweilen pflege mich [sic] mir, das Buch in der Hand, vorzustellen wie Sie das Einzelne wohl musikalisch gefaßt haben mögen; eine ebenso zwecklose als angenehme Beschäftigung; wie man sich etwa eine unbekannte Schöne vorstellt, die zu lieben man fest entschlossen ist. Das Buch gefällt mir vollkommen. Die Manchem bedenkliche Wildheit der Gefühle ist gerade der deutschen Natur sehr angemessen und erhält durch die Heldin einen schönen Gegensatz. Kurz, ich könnte nur loben. Hier pausirt gegenwärtig alles musikalische Treiben, jeder ist für sich. Einer Ihrer neuesten Verehrer, der junge Bronsart ist sehr fleißig, macht Fugen und Variationen und viele Fortschritte im Klavierspiel.
Herzlichen Gruß
Ihr
ergebener
Keudell
Berlin 16/7 50
Verzeihen Sie mir diesen dummen Brief. Ich weiß recht gut, daß es Ihnen wenig hilft wenn ich sage „es thut mir leid Ihre Oper noch nicht gehört zu haben.“ Aber dennoch war es mir Bedürfniß, die lebhafte Theilnahme wenigstens anzudeuten die mich erfüllt. Und somit Gott befohlen.
Herrn Dr. Robert Schumann
in
Dresden
frei
Sollte Hr. Dr. S. nicht mehr in Leipzig sein so wird gebeten den Brief nach Dresden zu befördern.
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