Verehrtester Freund,
Daß Sie nicht zur 2ten Vorstellung Ihres Manfred kommen konnten bedaure ich sehr: Hoffentlich wären Sie mit der musikalischen Einstudirung und Aufführung dieses Werkes (welches ich zu Ihren gediegenst gelungenen zähle) nicht unzufrieden gewesen. Der Total Eindruk war meinen Erwartungen gemäß ein durchaus edler, tiefer und erhebender. Die Rolle des Manfred hatte Herr Pätsch übernommen und ehrenhaft und verständig durchgeführt. In Betreff der Inscenirung ließ sich wohl einiges sagen, jedoch wäre es ungerecht wenn man daß [sic] Verdienst welches sich Herr Regisseur Genast bei derselben erworben hat, nicht lobend anerkennen würde. Es scheint mir deshalb angemeßen, daß Sie an Herrn Genast ein paar freundliche Dank Zeilen richten, und Ihn beauftragen für Herrn Pätsch (Manfred) und dem übrigen dabei betheiligten Personnel, Ihre Complimente etc zu übernehmen – Eine einzige Bemerkung erlaube ich mir noch: Die Einleitung Musik zu dem Ahriman Chor (D moll) ist zu kurz – Einige 60 – bis 100 symphonische Takte so wie Sie ähnliches zu schreiben verstehen wären da entschieden von guter Wirkung. Überlegen Sie sich die Sache und gehen Sie dann frisch an Ihr Pult. Ahriman kann einige polyphonische Sätze vertragen und es lässt sich bei dieser Gelegenheit ganz behaglich wüthen und wühlen. Soll ich Ihnen ihre Manuscript Partitur zurücksenden, oder wollen Sie mir damit ein schönes present machen? Ich bin zwar kein Autographen Sammler, aber die Partitur, wenn Sie sie nicht weiter bedurfen, würde mir Freude machen.
Tausend freundschaftliche Grüße an Clara; und Bitten Sie Ihre Frau mir bald wieder etwas von Ihnen hören zu laßen.
In wahrster Verehrung und
aufrichtiger Freundschaft
ergebenst
F Liszt
26 Juny 52 Weymar –
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