Hochgeehrtester Herr Doktor!
Verzeihen Sie dem Zudringlichen! Allein es geschieht nicht lediglich auf meinem Antrieb, (obgleich ich mich unendlich freuen würde), sondern auf den Wunsch Vieler die das umstehende Lied liebgewonnen, wenn ich mir unter vollständiger Ueberlassung an Ihre mir von 12 Jahren her überaus theure Musikmeisterschaft die Frage, eventualiter Bitte erlaube, ob Sie Sich geneigt finden möchten, selbiges Lied in eine romantische Melodie zu kleiden. Es ist, seit ich wahre Musik aufrichtig verehre, mein sehnlichster Wunsch gewesen, daß Robert Schumann, der hohe Meister, ein liedlein von mir componiren möchte. Sollten Sie nun dies mitfolgende für unwerth erachten, so bäte ich um Ihre Mittheilung. Würden Sie aber Compositionsfähigkeit darin erkennen so stände ich bereit, Ihnen etliche meiner schlichten lieder zu senden. Auf das vorliegende freuen sich viele Herzen! Indem ich einer wohlwollenden Antwort entgegenharre, zeichne ich
als des Meisters
in tiefer Verehrung ergebener Diener
Titus Voigtlaender.
Dresden
Wiesenthorstraße
d. 31. Mai 1853.
|3| Herbstromanze.
(im Volkston)
Im Herbst an einem Morgen hell
Zog über die Flur ein Färbergesell.
Der färbte die bunten Auen so fahl
Und machte die grünen Wälder so kahl. –
Die Jungfrau stand vor der hütte klein
Und blickte so trauergemuth darein:
„Du schlimmer Gesell, was raubest du mir
Der schmucken Kränzlein fröhliche Zier?“ –
Und wie sie weint und wie sie klagt:
Dem frischen Gesellen gar wohl behagt:
„„O Jungfrau, liebe Jungfrau mein!
Was trauerst du um die Kränze dein?
In kurzen Monden, da kehr’ ich zurück,
Im Frühling mach’ ich’s Meisterstück.““
Titus Voigtlaender.
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