Wien, den 29. August 1847
Hochgeehrtester Herr
Ihr schätzbares Schreiben vom 27. v. M. ist mir erst jetzt nach meiner Rückkehr von einer mehrwochentlichen Erholungsreise zugekommen u. dieß erklärt u. entschuldigt die verspätete Antwort.
Es wäre allerdings ein grosser Gewinn für die Kunst in Österreich, wenn wir Sie den unsrigen nennen könnten; ob aber die Stellung am Conservatorium Ihnen, geehrtester Herr u. Freund, passen würde, scheint mir etwas zweifelhaft, nämlich in bezug auf die eigentliche Direction des Conservatoriums. Die Anstalt hat es denn doch zu sehr mit ersten Anfängern zu thun; die Schüler gehören meist der ungebildeten Classe unserer rohen untern Stände, u. da hat denn der Director hauptsächlich das Amt eines Schulmeisters in einer Trivial-Schule zu versehen; muß sich über ungezogene Kinder u. rohe Ältern ärgern, mit Lappalien aller Art befassen, kurz, dieser Theil der Leistungen kommt mir sehr unkünstlerisch vor.
|2| Etwas Andres ist’s mit der Professur des Contrapuncts, obwohl auch hier manche unerfreuliche Schüler mitlaufen mögen. Die Gesellschaft hatte jedoch beschlossen, wo möglich beyde Ämter, <näm[?]> Directorsstelle u. Professur der Kompositionslehre, in einer Person zu vereinigen. Indessen ist es ganz Anders gekommen, u. Ihre Anfrage behebt sich daher vor der Hand von selbst. Während meiner Abwesenheit hat nämlich der bisherige Director Preyer seine Resignation zurückgenommen, die Gesellschaft hat ihm noch einige Vortheile zugestanden, die er vielleicht eben durch seine Anheimsezung zu erzielen hoffte – genug, Preyer bleibt im Amte und bey der Anstalt bleibt es beym Alten.
Mit innigem Bedauern haben wir den Verlust Ihres jüngsten Kindes vernommen; der Himmel wolle uns vor ähnlichem Schmerze bewahren. Bey uns ist die Familie im Zunehmen; außer den 6 Söhnen u. der Tochter, die alle wohl sind, hat sich ein neuer Sprößling für künftige Weihnachten angemeldet. Meine Frau läßt sich Ihnen beyden schönstens empfehlen, mit Ausnahme ihres, wie es scheint, unheilbaren Gesichtsübels, ist sie recht wohl.
|3| Daß Sie auch an die Oper denken, hat mich sehr gefreut; überhaupt ist mir jedes Product, das von dem trefflichen Künstlerpaar herkommt, jedesmahliger Hochgenuß. Ich habe freylich an Staatsgeschäften durch meine neue Stellung einen großen Zuwachs erhalten, doch bin ich mit der Muse zu innig vermählt um ihr je ungetreu zu werden. An Liedern habe ich Vieles gemacht; so, unter anderm, eine Sammlung von 50 Heine’schen Gesängen vollendet; so ein Streich-Quartett für 2 Violin, Alto u. Cello geendigt.
Möge uns das Geschick recht bald wieder zusammenführen; einstweilen behalten Sie in freundlicher Erinnerung Ihren aufrichtig anhänglichen u. ergebensten
Vesque pp.
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