Dresden d. 4tn Juny 1846.
Werther Herr Doctor!
Sie werden recht auf mich zürnen, wenn ich in Bezug auf unser Vorhaben wieder mit leeren Händen und mit noch leererem Papier Ihnen entgegen trete; doch werden Sie mir auch gewiß verzeihen, wenn ich Ihnen sage, daß ich in der letzten Zeit recht unwohl war, ich litt an Brustbeklemmungen, der Kopf war mir wüst und eingenommen, die Augen brannten, dabei machte mir fortwährende Schlafsucht alles geistige Arbeiten unmöglich. Gottlob scheint das Übel jetzt endlich ziemlich gewichen und, geistig und körperlich wieder freier, konnte ich in den letzten Tagen einige durchaus nothwendige Correspondenzen beseitigen. Alle meine übrige Dresdner Zeit denke ich nur ganz unserm Plan zu widmen. Ich hatte zwar schon Einiges darüber zusammengestellt, doch ist es so ungenügend, daß ich es Ihnen nicht gut mittheilen kann.
Jedenfalls scheint mir Tristan und Isolde einen so würdigen reichen und (nach den Andeutungen über ihre [sic] Wünsche) für Sie so günstigen Stoff zur Oper abzugeben, wie wir ihn nicht so leicht wiederfinden. – Immermanns Gedicht hat mich wahrhaft entzückt. Natürlich muß der Gegenstand dramatisch ganz anders gefaßt werden und viele herrliche Motive die dem Epos ein reiches Feld zur Entfaltung darboten, sind für uns unbrauchbar, z. B. die Jagd, die Meeresschilderungen etc. Dafür scheint mir aber auch des Dramatischen und lyrischromantischen noch immer genug in der Dichtung, freilich muß es sehr gesichtet und gedrängt verarbeitet werden.
Also: geht es mit meiner Gesundheit nicht zurück, so denke ich Ihnen binnen 4–6 Tagen den Hauptplan der Oper nach dem ersten Entwurf mittheilen zu können, bis dahin erhalten Sie mir noch Ihre Geduld. Auch den Conradin kann ich Ihnen noch nicht schicken, da Hiller ihn eben jetzt nach meinem Exemplar noch einmal für sich abschreiben läßt. Gewiß werden auch Sie in diesen Tagen Immermanns Gedicht lesen, außerdem finden Sie in Marbachs Volksbüchern No 13 und 14 die Geschichte, mit einigen Veränderungen und weiter aus gesponnen, freilich aber viel farbloser und matter – In 8 Tagen denke ich, wenn das Wetter gut ist, nach Wesenstein zu kommen und Sie persönlich zu sprechen.
Möge auch Sie Ihr Unwohlsein recht bald verlassen daß wir Beide recht frisch und freudig unser Werk beginnen.
Von mir und meiner Marie die herzlichsten Grüße an Sie und Ihre liebe Frau!
Der Ihrige,
R. Reinick.
Sie würden mir sehr freuen wenn Sie durch ein paar Worte mir zeigten, daß Sie nicht böse auf mich sind.
Herrn Dr. Robert Schumann
Wohlgeboren
Maxen.
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