23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 4906
Geschrieben am: Samstag 11.03.1843
 

Liebster Schuman!
Wie gerne möcht ich nun, da ich Dich schreibe, das mein Feder so weich wie mein Herz wäre. Du guter Du so wahrhaftiger Künstler, Freund, Mensch – Du erinnerst Dich wohl wie gerne ich über meinen Freund und Lehrer Hanssens sprach, und auch Ihm◊1 habe ich nur sehr selten geschrieben – aber guter Schuman wie oft ich uber Dich spreche und noch viel mehr denke, das weisst du nicht – mit ganzer Seele hange ich an Dich und trauere um das verlohrene Glück – Welcher Mensch benütz immer die Gegenwart? wieviel Gelegenheiten Dich zu sprechen habe ich vernachlässigt und nun auf einmal so weit von Dich, so weit; zu weit! möchte ich Dir nun versichern wie vielmahl ich angefangen Dich zu schreiben – aber ich kann nicht – Feder ist von Stahl und Gedanken warm und so snel! schreiben für mich Holländer – an Dich Deutscher unter allen <der> die Deutschen für mich Musicer so wenig productiv an Dich der Productivste – an Dich der bescheidenste der beste Musicer der je ich sah – Du Guter Schuman mein Herz hengt an Dich wie das deinige an Clara und immer sehe ich Dich und immer gedenke ich Deiner – Ferne Freunde! ich hette nie in Leipzig so lange bleiben müssen denn wie selten werde ich Euch alle wiedersehn – Ihr einfache Gute, vernünftige Leuten! Ihr die bei Poppe sitz, so vergnügt – ach möchte ich nur nocheinmal bei Poppe sitzen, ich möchte Ohrveigen bekommen, ich möchte mit Sonder-Bruderschaft müssen trinken – alles um nur da zu seyn, um bei Dich um bei meine gute Freunde um unter Euch zu seyn – Du hast so viel schönes gemacht, so viel neues – Dein Quintet soll so schön seyn; Du hast ein Neues Quartett ein Neues Trio und Andante mit Var. gemacht und dies muß ich nun erfahren von den guten aber Dich doch so wenig verstehende Bezeth! Früher wisste ich alles früher, nun danke ich Gott! das wenigstens er etwas schreibt! aber es musste so seyn – ich bin nun Ritter – aber ein armer Ritter – nicht weil es mich an Gelt fehlt – nein der Löwe gedeiht nicht in Holland – er sehnt sich nach Arabien oder Amerika (weiss ich wo der Loewe herkomt?) und da ich nur ein sehr zahmer Löwe oder eigentlich Sar keine Lowe bin so sehne ich mich nicht so weit sondern nach Euch – Nach Leipzig – unter Euch auf die Promenade – allein zu Hause – denn ich bin eigentlich noch <Z>kar nicht zu Hause seit das ich Leipzig verlassen – erst seyt gestern habe ich meine Zimmer bezogen und noch weiss ich immer nicht ob fur lang oder kurz!
Lass mich Dich nun aber sagen dass ich sehr grosse Ursachen habe über meine Landsleuten zu frieden zu seyn; man hat mich mehr Ehre angethan als ich verdiene und möglich eben um diese Ursachen freue ich mich nicht so darüber als man konnte glauben; man sagt die Holländer sind kalt aber glaube es nie! es fehlt uns nur an wahrhafte grosse Künstler und Du solltets sehn wie Enthousiast man wäre – und nicht auf franzosische art – nein das Gute, das Düchtige findet allein Hier Anerkenning – Man will sagen Beethoven war ein Holländer; wäre dies so ich wünschte er wäre in Holland geblieben und ich weiss er wer Glücklicher als in Wien gewesen – damit sey nun nicht gesagt das die Ganze Nation musicalisch ist – nein gar nicht – aber man ist dennoch Enthousiast für das Gute – wenn einige Ausserlichkeiten dabei kommen –
Die Nation ist mit Anlage – aber die Music Directoren sind schuld wenn es nicht besser um unsre Kunst hier steht. Die Nation ist im Ganzen Kaufmännisch – aber Concerten sind sterker |2| besucht als irgendwo – aber nun werden wieder die Music Directoren Kaufmennisch sparen was möglich (denn es ist gewöhnlich zu ihr benefice) kaufen nichts neues und so ist man noch mit mansche Werken unbekannt geblieben. Die Orchester sind meistens vortreflich – voral hier im Haag – ich habe die Beethovensche Simpfonien ja Mendelssohns Melusine (welche toch so schwierig) ausserordentlich Hören aufführen Meine Simphonie ist mit 2 Proben vortreflich gegangen ja noch besser als in Leipzig enfin liebster Schuman glaube mich es steht so gar schlecht nicht um unsre Music nur fehlt es uns an wahrhafte grosse talenten – und auch in Deutsland und uberal denn ausser Dich (dies ist gein schmachelei) und Mendelssohn – sehr viele habe ich nicht kennen lernen – (der traurigste Beweis ist Hirschssche Album) Holland ist wohl ein Land wo ein Musicer glucklich seyn kan – aber für mich? Ich bin zu lange in Leipzig gewesen – Nicht das ich mich nach Leipzig sehne weil es einzig in Musicalischer Art ist Nein um unter Euch und mehr um bei Dir zu seyn; einmal an Deinem Tisch zu setzen Du Clara und ich – Du bist immer so gut für mich gewesen – wie viele Freude habe ich bei Dir und mit Dir genossen – Du freundlicher Wirth! wie gerne gehe ich durch der Schützenstrasse uber der Milch Insel zu Dir – oder <>durch das Dresdner Thor wenn wir von Poppe komen – ach ich sehe Dich jets so gut für mich – Kneipe mich nur einmal im Nacken oder gebe mir so ein Stos oder lassen wir mal snel laufen Freund ohne Stechen, mit Deine grosse Stiefeln Deine bunte Binde, Deine schöne Uhrkette und Dein Gutes Gesicht ich liebe Dich herzlich Du kanst mich nicht so lieben denn Du liebst mehr Deine Kunst als ich denn Sie liebt auch Dich mehr als mir – Du liebst noch die Clara – aber denke nur einigmahle an Dein ferner Freund und glaube mir so wahr ein Gott im Himmel der mich jets seht Du hats Kein anhänglicher und Keiner der Dich mehr liebt und inniger hochschetz und verehrt
als Dein Joh J H Verhulst
Haag 11 März
Nur noch einige Worte über mich; ich habe nach meinem Concerte am Hofe21 ein Concert hier im Haag gegeben wo ich von mir ausführte 3me Ouverture 145 Psalm und Sinfonie; 8stimmige Hymne Intermezzo Gruss aus der Ferne und Mehr. Ich habe darnach viel zu viel Succes gehabt Kränze Gedichten und nachher in einer Saal gebracht wo alles Decorirt war mit meinem Nahmen und des Rittersnahm – in Rotterdam habe ich ebenfals Concert gegeben; dasselbe Programma und noch zwei Piecen onze bede (was im Hofe ausgefuhrt war) und Ouvertüre in H mol Auch da hat man mich grosse Ehre angethan – der Saal war ausserordentlich besetz (Man hat mich aber bestolen) und auch da bin ich gekränzt. Nun dachte ich noch in Amsterdam und Utrecht Concert zu geben aber ich habe es sat und bin zu Hause geblieben; es ist mir selbts überdrüssig geworden immer meine Sachen einzustudiren und ich sehnte mich nach Ruhe. Ich habe bis jets ein Quartet geschrieben und Heute in 3 Wochen werde ich eine offentliche Ausführung meiner 3 Quartetten veranstalten – das letzte Quartet ist auch das beste – nur das Finale ist nicht ganz gelungen – ich hoffe aber zu änderen – das Adagio ist am beste. alle 3 meine Ouverture sind so wie auch das Intermezzo viel gespielt in Holland und meine Simphonie hat grossen Effect gemacht. Ich weiss nicht ob ich Dich nicht langweile mit dieses Sreiben uber mich selbts aber Du musst doch wissen wie es mit mir steht. Meine Messe muss ich nun wohl fertig machen da ich dieselbe zur Ausführung in October |3| versprochen habe. Eine Festouverture werde ich auch schreiben und dan meine 2 Sinfonie fertig machen. Viele Plaenen und wenig fertig machen – aber ich werde jets fleissiger seyn und bin es schon. Ich konnte Dich grosse Articelen uber mich in den verschiedensten Journalen schicken thue es aber nicht; man hat mich gar zu viel gelobt; willst du aber eine kleine Notiz über das Succes meiner Concerte in Haag und Rotterdam in deiner Zeitung geben so wirts du mich Freude machen!
Hr Vermeulen welche alle Deine Lieder besitz ist sehr traurig das er Keine Zeitungen mehr ämpfengt; Du hats ihm geschrieben das ich ihm darüber mehr sollte sagen – ich weiss aber nichts als das er dieselben kaufen kan.
Wenn Du ein Corespondent aus Holland wilts haben so kann ich dich der Hr Von Baalen empfelen welche sich daraus eine Freude machen sollte; Honoris Causa! ein Liebhaber in der Art von Sleinitz. Er hat es Dich angebothen Du hats ihm aber nicht geantwort ich habe auf mich genommen Dich darüber zu schreiben so Du zufrieden bist bitte ich Dich ihm unverweild zu schreiben.
Deine Zeitung wird viel in Holland gelesen und wird es noch mehr wenn zuweilen auch ein Correspondz darin vermeldet; und es ist wohl der Muhe werth da es so gar schlecht nicht mit uns steht.
Ein gewisser Berlin hat nach mir auch Concert am Hofe gegeben, er hat darum gefragt und sich berufen auf Briefe von Mendelssohn, David, Muller und verschiedene andere Leuten – aber seyne Music ist gemein und obwohl er viel soll geschrieben haben versteht er nichts ordentlich zu schreiben – der Konig hat ihm das Eichen Kron verliehen wie auch fruher an Snel – er hat aber wenig Simpathien gefunden und hat so mehr verloren als gewonnen. Ich habe nichts gesagt!!
Ist den List nicht in Leipzig gewesen oder hats Du ihn nicht irgendwo gesprochen, er möchte Dein Quintet so gerne haben. Was meinst Du von Berlioz?
Kommts Du nicht in Bonn wenn das Beethoven Denkmal eingeweiht wird? so ja käme ich gewiss auch da; ich möchte Dich so gerne einmal wiedersehn.
Wo wird Dein Quintet verlegt und wenn wird es erscheinen. Wieviel hats Du wohl in so kurzer Zeit gemacht! Deine Quartetten opus 41! Deine Davidsb. op. 6 und dabei machts Du nicht wie <S> hier – „der Reiter, Lied für Singst. op. 52, der Reiter und seyn Pferd op. 53 – das pferd und seyn Reiter op. 57 „der Reiter ohne Pferd“ op. 64 und so immerfort. Hirschbach versteht es über Berlioz zu urtheilen!! Hattets Du das gewissen, Du hattets Deine ausführliche Articelen nicht uber seyne Simphonie brauchen zu schreiben – nun erst weiss die Welt wer Berlioz ist. Dein Corespondent aus Paris6versteht es besser – der hat Esprit! seyn letzter Bericht aus Paris mit das Prager vehmgericht ist zu ausgezeichnet!
Nun lieber Schuman endige ich mit mein Geschwätz – denke bisweilen freundlich an mich – herzlich bin ich dich ergeben und ich werde immer bleiben
Dein grosser Verehrer – Dein herzlich Dich liebender Freund mit Leib und Seele – der Dich warm der Hand druckt und dem es swer felt nun wieder Abschied von Dich nehmen zu müssen.
Nun lebt wohl, alle Gute Geister bleiben mit Euch; Du bist in meinem Zimmer mit Bach und Beethoven und in mein Herz mehr noch als diese Beiden; lebet wohl und bleibe mir gut –
Ganz Dein Joh. J H Verhulst.
Ich bitte Dich freundlich zu grüssen Hr Polentz Lorentz Graf Reütz – Hr und Fr Dr Frege, Friese grusset auch Poppe und grusset mich das Tempel so viel schönes – Grusset auch das Gewandhaus Saal.
|4| Sr Wohlgeboren
Hr Dr. Robert Schuman
Lieber Schuman – ich grüße dich noch einmal empfele mich an David, Baekr[?] und denen, die sich meiner erinneren.
Hr Dr Mendelssohn ist wohl nicht jets in Leipzig empfele mich anihn und sage ihn das ich immer voller Hochachtung und Ehrerbietung bleibe seyner
J. Verhulst

  Absender: Verhulst, Johannes (1615)
  Absendeort: Den Haag
  Empfänger: Schumann, Robert (1455)
  Empfangsort: Leipzig
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 13
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit den Familien Verhulst, Kufferath/Speyer und Engelmann sowie anderen Korrespondenten in Belgien und den Niederlanden / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Eva Katharina Klein, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2024
ISBN: 978-3-86846-024-7
72-81

  Standort/Quelle:*) PL-Kj, Korespondencja Schumanna, Bd. 15 Nr. 2544
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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