23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 5041
Geschrieben am: Montag 12.12.1842
 

Frankfurt den 12 Dec
Sehr gefreut hat es mich, lieber, verehrter Freund, nach so langer Zeit wieder einmal einige Zeilen von Ihrer Hand zu erhalten; nur hätte ich gewünscht, daß die Veranlaßung dazu eine andere gewesen wäre. Hoffentlich ist das Unwohlsein Clara’s schon wieder vorüber, so daß kein Grund zu Besorgniß mehr vorhanden ist. Ich bin Ihnen u Clara unendlich dankbar für die Hoffnung die Sie uns geben, Elise nach Berlin zu begleiten; ohne diese müßte sie, den ihr so lieb gewordenen Plan ganz aufgeben, denn der Vater erlaubt es unter keiner Bedingung, daß sie allein oder mit einer unbekannten Person dahin reist. Ein weniger schönes Mädchen brauchte nicht so viele Rücksichten zu nehmen, aber Elise, die ohnehin so viele Neiderinnen hat, kann unmöglich unter diesen Verhältnißen nach Berlin reisen, ohne die Begleitung einer allgemein bekannten u geachteten Dame. Ich hoffe zuversichtlich, daß wenn es Clara’s Gesundheitszustand erlaubt, sie die Elise nicht verlaßen wird, da so viel darauf ankommt, u da der Aufenthalt in Berlin nur von kurzer Dauer zu sein braucht. Liszt’s Aufenthalt in Holland scheint sich in die Länge zu ziehen, was mir sehr lieb ist, da er dann keinesfalls vor Weihnachten nach Berlin gehen wird. Elise freut sich kindisch darauf Clara und Sie wiederzusehen. Könnte ich es |2| doch auch! doch ich will mich nicht beklagen; meine Lage ist so angenehm wie ich sie nur immer <wünschen> ┌erwarten┐ konnte, fern von den Meinen; Elise wird Ihnen Näheres über meine Verhältniße hier erzählen. Ich glaube, Sie werden von Elisen’s Fortschritten überrascht sein; sie selber hat auch die feste Ueberzeugung mit ihrem Talent durchdringen zu müßen, so daß sie sich durch keine Intriguen u Widerwärtigkeiten mehr abhalten läßt, ihren Weg fortzugehen. Ich wünsche nur, daß es ihr gelingen möge sich bald so zu stellen, daß all diese Hindernisse u kleinlichen Intriguen, mit denen man zu kämpfen hat am Anfang, sie nicht mehr berrühren [sic] können. Ich hoffe dies wird ihr in Berlin mit Claras, Liszts u Rubinis Hilfe gelingen[.] Ich sehe wohl ein, daß ich der Clara viel zumuthe, wenn ich verlange, daß sie in dieser Jahreszeit, ihren Mann u ihr Kind verläßt, um in fremden Angelegenheiten eine Reise zu machen; aber ich weiß auch, daß ihr Herz einer Aufopferung fähig ist.
Sie schreiben, daß Liszt manchmal mehr verspricht als er halten kann; darüber kann ich im Allgemeinen nicht urtheilen; in unserm besondern Fall aber |3| zweifle ich durchaus nicht daran, daß er das was er versprochen hat, halten kann u wird; wenn nicht ganz unvorhergesehene Hindernisse eintreten. Sein Benehmen ist gegen uns stets so gewesen, daß ich nur das größte Vertrauen zu ihm haben kann. Was mir an ihm besonders gefällt ist, daß er der Elise durchaus nicht die Cour macht, wie er es bei Andern hübschen Mädchen zu thun pflegt, sondern daß sein Interesse für sie ganz anderer Art ist. Doch ich werde zu geschwätzig, darum will ich kurz abbrechen. Der Clara u Mariechen viele Küsse u Ihnen die herzlichsten Grüße
von Ihrer treuen Freundin
Emilie L.
Ich bitte Sie, lieber Schumann, in Leipzig noch gar nichts von der Berliner Reise zu reden, das viele Geschwätz zu vermeiden.
|4| Sr. Wohlgeboren
Herrn Dr. Robert Schumann
Leipzig
5 Insel Straße. Dresdener Anbau
franco

  Absender: List, Emilie (962)
  Absendeort: Frankfurt
  Empfänger: Schumann, Robert (1455)
Empfangsort: Leipzig
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
176-179

  Standort/Quelle:*) PL-Kj, Korespondencja Schumanna, Bd. 14 Nr. 2442
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

Fehlerbeschreibung*





Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.