Geehrter Herr Doctor!
Wenn Ihnen mein Name nicht gar zu fremd wäre, so mögte ich Sie wohl wie einen lieben Bekannten begrüßen, geht es mir doch mit meinem Denken an Sie, meinen Ideen von Ihnen, wie mit Situationen bei denen man sich fragt, mein Gott hast du das nicht schon einmal erlebt? – Wenn ich mich dann besinne, so tritt mir bei der Bewunderung die ich für Sie als Künstler hege, bei dem Interesse mit welchem ich Ihrem Leben folgte, ein gar lieber Mensch entgegen, den ich nicht anders nennen kann als Robert Schumann.
Sie würden aber gewiß große Augen machen, wenn sich Alle die, welche gleiche Gesinnung für Sie hegen, unter dem Titel eines alten Bekannten an Sie drängten. Ich komme aber unter dem Schutz einer Muse, zu der ich flehe, wie die Dichter der Vorzeit, damit ich Ihnen nicht gar zu fremd erscheine! – Ach was nutzt alles viele Worte machen, wo ich eigentlich aus vollem Herzen spreche, – Gott sey Dank, daß meine Muse Ihr Weib, die Mutter Ihres Kindes ist! – Gott sey Dank nochmals, ich bin nicht leicht mit größerer Freude erfüllt worden als bei der Nachricht von Ihrer Verheirathung, die sich noch mehr steigerte, als ich vor einiger Zeit erfuhr, daß Ihnen ein Kind geboren sey. – Glück und Heil und der herzlichste Gruß Ihrer lieben Frau. Sagen Sie ihr, ich sey jetzt auch Ehemann, hätte auch ein liebes Weib, die mir schon damals, wie Ihre Frau hier zuletzt war, sehr sehr im Kopf spukte.
Zürnen sie nicht über diese Einleitung, ich mußte erst meinem Herzen sein Recht lassen, bevor ich über eine Sache mit Ihnen redete, die der eigentliche Zweck dieser Zeilen ist.
Nach vielen Mühen werden denn endlich unsere phylharmonischen Conzerte auch für diesen Winter wieder statt finden. Schwerlich macht sich ein Fremder eine Idee davon, mit welchen Schwierigkeiten hier jede künstlerische Bemühung zu kämpfen hat, vielleicht werde ich, wenn meine Bitte an Sie nicht ohne Erfolg ist, mündlich mehr Ihnen davon mittheilen können. – Wir zögen so gerne die bedeutendsten Künstler zu unsern Conzerten herbei, wenn nicht die geringen Mittel über die wir hier, neben den ungeheuren Kosten, die die Conzerte hier am Ort machen, verfügen können, unsern Wünschen Zaum und Zügel anlegten. – Mögte doch diesesmal einer unserer liebsten Wünsche, die wir in der Beziehung hegen, in Erfüllung gehen.
Der Musikdirecktor Hermann aus Lübeck war dieser Tage bei mir, er ist vor Kurzem in Leipzig gewesen und sagte mir, wie ich ihm mittheilte, daß wir Sie und Ihre Frau gerne einmal hier sähen, daß Sie selbst geäußert hätten, Sie würden vielleicht diesen Winter nach Hamburg kommen. – Gestern waren wir in Betreff des Anordnens der Conzerte beisammen und im Auftrage der Comittée unserer Conzerte, deren Mitglied ich bin, habe ich die Frage und Bitte |2| an Sie zurichten, ob es Ihre Zeit nicht erlaubte, daß Sie und Ihre Frau zu einem unserer Conzerte nach Hamburg kommen um dasselbe zu unterstützen oder offengestanden, dasselbe zu einem sehr glänzenden durch Ihrer Beider enorme Leistungen zu machen. – Wir mögten nämlich gerne in einem der Conzerte Ihre erste Symphonie, die wenn ich nicht irre, im Frühjahr in Leipzig zuerst zur Aufführung kam, aufführen und zwar entweder unter Ihrer alleinigen Leitung, oder falls Sie das nicht gerne thäten, unter Ihrer Mitwirkung beim Einstudiren derselben. Die große Meisterschaft Ihrer Frau würden wir auch für dasselbe Conzert in Anspruch nehmen, wobei wir <es> Ihrer Beider Willen anheimstellten was dieselbe in dem Conzert zur Aufführung bringt. – Unsere Conzerte werden stattfinden den 22sten Januar, den 12ten Februar, den 5ten März und 2ten Aprill. Wir würden Ihnen völlig freie Wahl lassen hinsichtlich der Wahl eines dieser Conzerte, müßten Sie aber bitten, uns recht bald, wenn möglich mit nächster Post, von Ihrem Beschluß und Ihren Bedingungen in Kenntniß zu setzen, weil wir auf denselben warten müssen hinsichtlich der Anordnung der anderen Conzerte. – Sollten Sie auf unsre Wünsche eingehen, so mögten wir gerne, daß Sie uns die Partitur u Stimmen zu Ihrer Symphonie etwa ein [sic] 14 Tage vorher zuschickten, Behufs des Einstudirens. –
Zürnen Sie nicht, wenn noch einmal der seyn wollende Bekannte zu Ihnen spricht. Ich bin beauftragt worden, Ihnen zusammen für dieses Conzert ein Honorar von 20 Ld’or anzubieten. – Schelten Sie nicht über das geringe Honorar; unsere Mittel sind wirklich zu beschränkt, ich spreche vielleicht mündlich im Vertrauen mit Ihnen ein Näheres darüber. Wir würden auch nicht gewagt haben Sie unter solchen Bedingungen zu uns einzuladen, wenn ich nicht von Hermann bei unserm Gespräch, wo ich ihm vertraute, daß leider unsere Mittel nicht ausreichten für den Wunsch, Sie bei uns sehen, von Ihrer Absicht nach Hamburg zu kommen, erfahren hätte. –
Wie sehr ich und Viele uns nach Ihnen sehnen, brauche ich wohl nicht erst zu erwähnen; mögte der Wunsch so Vieler, Sie bald in Hamburg zu sehen, doch einiges Gewicht bei Ihrer Entscheidung haben. –
Indem ich Ihnen nochmals den herzlichsten Gruß für Ihre liebe Frau schreibe, unterzeichne ich
Hochachtungsvoll
Theodor Avé Lallemant
pr Addr. Stadtdeich No 3.
Hamburg den 26sten Deceb 1841.
|4| Herrn Doct. Rob. Schumann.
berühmter Componist
in
Leipzig
frco