23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 5142
Geschrieben am: Montag 31.01.1842
 

Detmold d 31sten Januar 1842.
Werther Freund!
Ich habe so lange nichts von mir hören lassen, daß Sie mich vielleicht ganz vergessen haben, was ich indeß nicht hoffen will. Sollte es sein, so wünsche ich, daß diese schriftliche Erinnerung meines Lebens u. Daseins mich wieder darin zurück führen möge. Sie sorgen dafür, daß man Sie nicht vergißt, denn Sie schaffen u. wirken nach allen Richtungen hin. Wie glücklich Ihnen Ihre Simphonien gelungen, habe ich mit dem größten Interesse gelesen. So bald sie gestochen sind, werde ich ihre Bekanntschaft zu machen suchen, u. werde auch dafür sorgen, daß sie zu Hause andern bekannt werden.
So ein armer Virtuose, der treibts eben so auf seine Weise, wie es ihm möglich ist. Man quält sich u. strebt, u. ist man fertig, so ist es nichts gewesen. Das, was allenfalls noch an einem wäre, u. was vielleicht die kurze Spanne Zeit, die uns zum Durchlaufen gegeben, überdauerte, das bischen Compositionstalent, das muß man unter den Scheffel stellen. Kein Verlag will größere Kompositionen haben, u. so vergeht |2| am Ende auch der Muth, welche zu schreiben. So kann man nicht wuchern mit den Pfunden die einem verliehen, u. muß am Ende noch froh sein wenn der Mißmuth, der sich dann auch oft genug breit macht, nicht so sich ausdeneht[?], daß er alles Andere unterdrückt. Doch was hilft das Klagen, vorwärts muß es doch einmal, mag es gehen wie es geht.
Ich war jetzt beinahe drei Monate in Holland u. habe als Künstler recht viel Glück gehabt. Ueberall habe ich mit Beifall gespielt. Besonders aber ist es Amsterdam, das mich ausgezeichnet hat. Ich habe sehr oft dort gespielt, theils in den eigenen Konzerten, theils in Felix meriti[s] u. in „Blaas- en Strijklust“, die erste der holländischen Privatmusikgesellschaften. Diese letz[te] hat mich auch am Tage ┌vor┐ meiner Abreise noch das Diplom als Ehrenmitglied überreicht, was höchst selten einem ausländischen Künstler geschieht, u. vor mir, von Geigern, nur Laffont zu Theil wurde. Ich möchte Sie nun bitten, diese Tatsache doch in Ihrer Zeitung zu erwähnen, |3| die auch im Handelsblad u. in verschiedenen deutschen Zeitungen berichtet wurde. Man muß am Ende doch alles für die Ehre thun, denn sonst hat man doch nicht viel.
So wie ich wieder ruhig zu Hause bin, werde ich meine Beobachtungen über holländisches Musikwesen in einem längeren Aufsatze niederlegen u. Ihnen für Ihre Zeitung überschicken. Es ist nothwendig, daß die deutschen Virtuosen erfahren, welche Rosen ihnen in diesem Lande blühen.
Ich hoffe Sie selbst bald zu begrüßen, denn ich werde auf dieser Tour durch Norddeutschland jedenfalls auch nach Leipzig kommen.
Haben Sie doch die Güte, einligenden Brief an David zu schicken.
Stets
Ihr
ergebener
Carl Riefstahl
|4| Herrn Dr. Robert Schumann
Wohlgebren
in
Leipzig
franco

  Absender: Riefstahl, Carl (1273)
  Absendeort: Detmold
  Empfänger: Schumann, Robert (1455)
  Empfangsort: Leipzig
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
1149-1152

  Standort/Quelle:*) PL-Kj, Korespondencja Schumanna, Bd. 13 Nr. 2178
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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