23.01.2024

Briefe



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ID: 5636
Geschrieben am: Montag 07.10.1839
 

den 7ten Octobre
Lieber theurer Freund!
Wenn ich so lange gezögert Ihre mir so werthen lieben Zeilen zu beantworten, so geschah es gewiß nicht mit meinem Willen, allein leider, war ich die Zeit über, mit meiner Gesundheit etwas stark brouillirt, in Folge dessen, ich aber auch, mich immer geistig sehr matt und abgespannt fühle, so geschah es denn, daß ich erst heute dazu komme, Ihnen meinen lebhaften Dank, für das Vergnügen zu äußern, das mir Ihr liebes interessantes Schreiben gewährte. Möchten die darinn enthaltenen Andeutungen einer baldigen glücklichen Lösung, und Änderung Ihres Schicksals, so schnell in Erfüllung gehen, als ich es von Herzen wünsche, und Sie mir dann, nebst diesem, noch die frohe Kunde geben, daß ein <froh> freundliches Wiedersehen mit Ihnen, nicht so ganz im Bereiche der Unmöglichkeit liegt, so machen Sie mir das größte Vergnügen, von der Welt, denn Sie können |2| versichert sein, daß nicht bald jemand, so herzlichen, innigen Antheil an Ihrem Schicksal nimmt, als ich. Die Fragen, lieber Freund! die Sie mir in Ihrem Briefchen stellen, wird Ihnen wohl bis jetzt, schon jemand Anderer beantwortet haben. Liszt kommt nämlich gewiß Anfangs November her, auch sagt man, die Concerts spirituels, würden dann auf den Advent verlegt, während sie gewöhnlich, erst in den Fasten statt finden, da Liszt versprochen haben sollte, dabei mitzuwirken. – Seit einigen Tagen, verbreitet sich das Gerücht, Camille Pleyel sollte ebenfalls hier eintreffen, und mit großer assurance, selbst Liszt’s rivalität nicht scheuend, da man erzält, daß sie gleichzeitig mit Thalberg in einem Bade spielend, diesen, beinahe gänzlich verdunkelt hätte. –
Was allenfalls an diesen notizen wahr oder unwahr ist, werden Sie wohl selbst am besten |3| zu beurtheilen wissen, da Sie sie vermuthlich kennen, ich berichte blos, was man sich bei uns erzält.
Auf Mendelsohn [sic] freue ich mich ungemein, wie auch auf seinen Paulus; doch muß ich Ihnen sagen, da ich weiß, daß Sie keinen Gebrauch davon machen werden, daß man im Allgemeinen, etwas über seine, wie die Wiener finden, zu hoch gestellten Forderungen piquirt war, und fand, ein Mensch wie Mendelsohn, sollte schon auch seinem Ruhme der natürlich durch die Anerkennung des hiesigen Publicums, doch wieder bedeutend gewinnen würde, ein kleines Opfer zu bringen wissen. – ich, meines Theils, sehe dieß ganze raisonnement nicht recht ein, allein, was vermag der Einzelne? und somit läßt man es gehen; ich bin neugierig, was daraus wird, und ob sich die Heere noch vereinen. In Kurzem erwarten wir auch Prüme, auf den ich sehr gespannt bin, da man behauptet |4| er würde alle Übrigen, selbst Bull mitgerechnet éclipsiren, ich glaube es aber nicht recht, bis ich’s höre. Von unserm Thun und Treiben, weiß ich Ihnen nicht viel zu sagen, ich spiele ziemlich fleißig, allein oft mehr par principe, denn das animo fehlt; ich habe nicht mit und für wen, und so freut es mich oft gar nicht. Vielleicht schicke ich Ihnen bald etwas wieder Neues.
Mozart bat mich Ihre Grüße auf das herzlichste zu erwiedern, es geht ihm recht wohl, so wie Allen Übrigen im Hause. Für heute, nehme ich Abschied von Ihnen lieber Freund, allein wenn ich Ihnen damit nicht lästig falle, so hören Sie bald wieder etwas, von Ihrer innig ergebenen Freundin
Julie
An Frl. Clara meine besondere Verehrung, wie glücklich würde ich mich schätzen, sie Ihr persönlich ausdrücken zu können! wird es wohl geschehen.
Nun nochmals ein herzliches Lebewohl, und die Bitte mich gewiß wieder mit einigen Worten zu erfreuen.
Meine Mama grüßt sie vielmals. adieu!

  Absender: Webenau, Julie von, geb. Baroni-Cavalcabò, Julie von (1667)
  Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Robert (1455)
  Empfangsort: Leipzig
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 27
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Österreich, Ungarn und Böhmen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Michael Heinemann, Anselm Eber, Jelena Josic, Carlos Lozano Fernandez und Thomas Synofzik / Verlag Christoph Dohr Köln / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-052-0
102-105

  Standort/Quelle:*) PL-Kj, Korespondencja Schumanna, Bd. 9 Nr. 1377
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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