Leipzig 28t. Dec. 1838.
Verehrter Hr Schumann.
Ich muß Ihnen sehr um entschuldigung bitten daß ich Ihr freundliche Mittheilung so lange ungeantwortet gelaßen habe. Seyen Sie ja überzeugt daß es nicht aus Vergeßlichkeit geschah. sondern an Mangel der Zeit; <ud> denn ich bin sehr viel von hier abwesen [sic] gewesen seit dem bittern Verlust welche ich erlitten habe und welche Ihnen bekant ist. – Nehmen Sie also meine Entschuldigung freundlichst an.
|2| Ich habe von Zeit zu Zeit von Ihnen gehört – durch Ihren Freund Dr – (seinen Nahmen habe ich vergeßen) aber leider nie etwas ganz erfreuliches: denn. seinen Nachrichten nach, scheinen Sie nicht zufrieden zu seyn – mit den Fortschritten Ihres Geschäftes – Aller Anfang sind schwer – und Geduld braucht Feste &c – Dieses braucht man Ihnen nicht zu schreiben – Durch Erfahrung haben sie es schon gelehrnt [sic] – Aber ich hoffe daß Ihre Wünsche noch alle und recht bald erfüllt werden mögen. Kann ich auf irgend eine Art Ihnen behülflich seyn befehlen Sie über mich. Mein Vetter habe ich geschrieben gleich nach dem Empfang Ihres |3| gütigen Brief. Er war zur Zeit auf dem Lande – in Steuermarkt – wo er noch ist – Er wird jezt bald nach Wien kommen – Suchen Sie ihn auf – Er ist Ihr Freund, und wird gewiß alles für Sie thun, was in seiner gewalt liegt –
Wie offt spreche ich mit mein Freund Herr Bennett von Ihnen. Er ist nicht mehr der Alte – ganz verändert – ausgelassen munter. immer Lustig. gar nicht scheu – und geht nie zu Poppe – natürlich, weil er sein Freund dort nicht findet – Er hat zwey Schüler v London mitgebracht – Am 17. Jan. wird er sein neues Concert in f moll. spielen – |4| Breitkopf ud Härtel haben ein Englisches P.forte von [?] Broadwood gekauft – und wir erwarten dieses Instrument täglich – it will be wonderfull [sic]. – B. neues Concert ist meines Achtens sein bestes Werk – Der Erste Satz ist prachtvoll – der Andante (Bennett) elegant ud poetisch – der letzte für uns und <das> für das Publicum, brillant ud gediegen. Ich bin aber überzeugt daß der Erste Satz, schon ganzen Beyfall finden wird – ich bin sehr dafür eingenommen.
Thalberg ist eben bey mir – und übermacht Ihnen gütige Erinnerung. Heut Abend wird er spielen – Gestern Abend spielte ein junger Mann nahmens Dreyschock. Seine Fertigkeit ist Teufelisch. Nie habe ich aber so viel Noten in einem Abend |5| gehört, ohne alle Music[.] Ich habe nie geglaubt daß etwas andres als durch <Da> Dampf <konnte> die 12te Etude von Chopin mit octaven gespielt werden konnte. – Aber das hat der Junge Mann geleistet. und es schien den alten Wiek, sehr zu incommodiren – Frl. Clara ist wohl – sie soll sublime [?] gespielt haben vor kurzem. Wenn es nur mehrere solchen P.forte Spieler gäbe – daß were sehr |6| erfreulich. Bey Mendelssohn ud David, ist abwechselnd Sonntags Früh Concert: bestehend aus Quartetten ud Trios mit P.forte.
Verzeihen Sie lieber Hr Schumann daß ich Ihnen solang aufgehalten habe – ud verzeihen Sie ich bitte, daß ich gewagt habe Deutsch zu schreiben. Beglücken Sie mir mit einnigen [?] Zeilen – es wird auch Mendels freuen
Ihr treu ergebenster
H II. Reuss.
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