23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 625
Geschrieben am: Montag 06.02.1854
 

Düsseldorf, den 6ten Febr. 1854.

Lieber Joachim,

Acht Tage sind wir fort und noch haben wir Ihnen und Ihrem Gesellen kein Wort zukommen lassen! Aber mit sympathetischer Tinte habe ich Euch oft geschrieben und auch zwischen diesen Zeilen steht eine Geheimschrift, die später hervorbrechen wird. Und geträumt habe ich von Ihnen, lieber Joachim; wir waren drei Tage zusammen – Sie hatten Reiherfedern in den Händen, aus denen Champagner floß – wie prosaisch! aber wie wahr! – Oft haben wir der vergangenen Tage<n> gedacht; möchten bald nur solche kommen! Das gütige Königshaus, die treffliche Capelle, und die beiden jungen Dämonen, die dazwischen springen – wir werden’s nicht vergessen. In der Zeit hab’ ich immer wieder an meinem Garten gearbeitet. Er wird immer stattlicher; auch Wegweiser habe ich hier und da hingesetzt, daß man sich nicht verirrt, d. h. aufklärenden Text. Jetzt bin ich in die uralte Vergangenheit gekommen, in Homer und das Griechenthum. Namentlich im Plato habe ich herrliche Stellen entdeckt. Die Musik schweigt jetzt – wenigstens äußerlich. Wie ist es bei Ihnen? Die Leipziger haben sich nach Ihrem Phantasiestück gescheuter gezeigt, als diese prosaischen Schlendrian-Rheinländer. Ja ich glaub’ es auch – die Virtuosenraupe wird nach und nach abfallen und ein prächtiger Compositionsfalter herausfliegen. Nur nicht zu viel Trauermantel, auch manchmal Distelfink! Wann reisen Sie nach Leipzig? Schreiben Sie mir’s! Ist die Demetrius-Ouverture fertig? – Die Cigarren munden mir sehr. Es scheint ein Brahms’scher Griff zu sein, und, wie er pflegt, ein sehr schwerer, aber wohlschmeckender! Jetzt seh’ ich ein Lächeln über ihm schweben. Nun will ich schließen. Es dunkelt schon. Schreiben Sie mir bald – in Worten und auch in Tönen!
R. Sch.

Meine Frau grüßt.
Auch an H. Grimm einen Gruß. Er scheint seinem Namen nicht zu entsprechen.

[Umschlag]
Herrn
Hof- und Staatsconcertmeister Joachim
in
Hannover.

  Absender: Schumann, Robert (1455)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
123ff

  Standort/Quelle:*) D-B; s: Mus.ep. R.Schumann 38
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.