23.01.2024

Briefe



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ID: 6317
Geschrieben am: Freitag 17.11.1837
 

Cassel am 17t November 1837
Werthgeschätzter Freund!
Wenn ich so frei bin, Sie so anzureden, so geschieht es aus Natürlichkeit. Von Ihrem ganzen Wesen, mir bekannt durch Schrift und Ton, habe ich ein Bild entworfen und glaube mich nicht getäuscht zu haben. Zwar gestaltet sich in der Wirklichkeit bei genauer Bekanntschaft, wie Sie mir auch geschrieben haben, Manches anders; allein aus Ihrer intensiven Productivität habe ich mir ein edles Gemüth mit Geist, das ja des Menschen Werth ganz bestimmt erkennt; und fühle mich gleich der Neigung des Schwächeren zum Starken, zu Ihnen hing[ezogen. Sie] wissen wie sehr die Veränderung des Wohnort zur B[eleb]ung beiträgt, wie abstumpfend die alltägliche Beschäftigung – (zum Trost das Loos aller Sterblichen) und zwar mit Musikunterricht ist; deshalb mein Plan, um mit gestärktem Muthe zurückzukehren. Einen gänzl Umzug hatte ich mir nicht gedacht. Die erforderliche Erlaubniß von Seiten meiner Vorgesetzten konnte mir, wegen Feier eines im April k. J. stattfindenden Jubiläums, wozu schon jetzt Vorkehrung getroffen werden muß, nicht ertheilt werden. Vereitelter Hoffnung – Meinen besten Dank für Ihre Güte. –
Montag d. 30 8tbr im Kurf Hoftheater großes Vocal- u. Instrumentalkoncert gegeb. von Fräulein Bott Pianistin aus Darmstadt. 1. Ouverture von Beethoven (aus Cdur zum ersten Male) 2, Chopin’s Emoll Conzert vorgetragen von der Concertgeberin. 3, Arie von Piccini, gesungen von Fr. Löw 4, Neuntes Violin-Conzert von Spohr vorg. von einem kleinen Virtuosen Jean Joseph Bott, (der mir vorkam wie eine Treibhauspflanze) 5, Große Fantasie von Kalkbrenner vorg. von d. Koncertgeberin 6, Arie aus der Zauberflöte 7, Große Fantasie von Thalberg, vorgetragen von Fr. Bott. Ausgezeichnet in Bezug aus tech. Fertigkeit. Was den Vortrag betrift, so sagten Mehre: „Clara Wiek habe ausdrucksvoller gespielt,“ und das war von 6 od mehren Zuhörern. Am 11t Nov. Mus. Abendunterhaltung der hiesig. Liedertafel. Außer mehren kräftigen Männerchören von verschiednen Componisten Thalbergs Hugenotten-Fantasie von Fr. Bott. Spohr’s 8tes Violin Conzert von einem Schüler des Componisten, kräftiger Ton, deutlicher Vortrag, der Character seines Spiels.
Nächstens mehr von
Ihrem Sie hochachtenden N. Endter
|2| Sr. Wohlgeboren
dem Componisten R. Schumann
zu
Leipzig
d. g. E.

  Absender: Endter, Nikolaus (40509)
  Absendeort: Kassel
  Empfänger: Schumann, Robert (1455)
  Empfangsort: Leipzig
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 26
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Süddeutschland / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka, Thomas Synofzik, Eva Katharina Klein und Michael Beiche / Verlag Christoph Dohr Köln / Erschienen: 2024
ISBN: 978-3-86846-051-3
254ff.

  Standort/Quelle:*) PL-Kj, Korespondencja Schumanna, Bd. 7 Nr. 784
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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