23.01.2024

Briefe



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ID: 773
Geschrieben am: Sonntag 12.02.1854
 

Düsseldorf, d. 12ten Febr. 1854.
Lieber Herr Stern,
Sie haben mich durch Ihren wohlmeinenden Brief dahin geführt, woraus ich in meiner Empfindlichkeit gar nicht hätte herausschreiten sollen, nämlich zu einer ruhigeren Ansicht. Daß ich von hassesfähigem Gemüth wäre, daran zweifeln Sie, der Sie meine Musik kennen, wohl nicht. Aber ein reizbares wohl? O ja – das schaut manchmal heraus. Zweimal hab’ ich Ihnen geschrieben, einmal von Holland, das andremal von hier. Im letztern sprach ich beiläufig von einem Wechsel unserer Stellen. Das verstimmte mich, daß Sie mir über fünf Wochen darauf keine Antwort zukommen ließen. Nun erfuhr ich von Berlin, daß das Gerücht davon dort schon circulirte. Das verstimmte mich noch mehr; erstens, weil es noch in so weiter Ferne liegt und über Unentwickeltes man nicht zu frühzeitig sprechen soll. Daher kam der finstere Augenblick.
So wollen wir denn Gras darüber wachsen lassen, oder noch lieber Blumen. Ich lebe oft in lieblichen Sphären, wo es mir sehr gut gefällt; dann werd’ ich oft aus dem Gleis gebracht, wenn ich in’s Menschengetriebe komme und so ein Stern nicht antwortet.
Lassen Sie denn Ihren letzten Brief auch nicht den letzten sein; ich habe Prim und Terz angeschlagen, nun thun Sie die Quinte dazu. Dann will ich Ihnen auch über die hiesigen Zustände schreiben, in denen freilich auch keine sonderliche Harmonie ist, ohngefähr so wie der 1ste Accord im Finale der 9ten Symphonie.
Leben Sie wohl und lassen Sie uns Lethe zusammen trinken.
Ihr
ergebener
Robert Schumann.

[BV-A, Nr. 2441:] Versöhnlicher Brief. S. Copie.









"Sie haben mich durch Ihren wohlmeindenden Brief dahin geführt, woraus ich in meiner Empfindlichkeit gar nicht hätte herausschreiten sollen, nämlich zu einer ruhigeren Ansicht. Daß ich von haßesfähigem Gemüth wäre, daran zweifeln Sie, der Sie meine Musik kennen, wohl nicht [sic]. Aber ein reizbares wohl? O ja - das schaut manchmal heraus.
Zweimal hab' ich Ihnen geschrieben ... Im letztern sprach ich beiläufig von einem Wechsel unsrer Stellen. Das verstimmte mich, daß Sie mir über fünf Wochen darauf keine Antwort zukommen ließen. Nun erfuhr ich von Berlin, daß das Gerücht davon dort schon circulirte. Das verstimmte mich noch mehr; erstens, weil es noch in so weiter Ferne liegt und über Unentwickeltes man nicht zu frühzeitig sprechen soll. Daher kam der finstre Augenblick.
So wollen wir denn Gras darüber wachsen lassen, oder noch lieber Blumen. ich lebe oft in leidlichen Sphären, wo es mir sehr gut gefällt; dann werd' ich oft aus dem Gleis gebracht, wenn ich in's Menschengetriebe komme und so ein Stern nicht antwortet.
Lassen Sie denn Ihren letzten Brief auch nicht den letzten sein; ich habe Prim und Tern angeschlagen, nun thun Sie die Wuinte dazu.
Dann will ich Ihnen auch über die hiesigen Zustände schreiben, in denen freilich auch keine sonderliche Harmonie ist, ohngefähr so wie der 1ste Accord im Finale der 9ten Symphonie.
Leben Sie wohl und lassen Sie uns Lethe zusammen trinken.
Ihr ergebener Robert Schumann."
[Kat. Stargardt Nr. 591: 13.11.1969, S. 188, Los 735 (gek., mit Faksimile)]

  Absender: Schumann, Robert (1455)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Stern, Julius (1546)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 17
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Korrespondenten in Berlin 1832 bis 1883 / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Eva Katharina Klein und Thomas Synofzik / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2015
ISBN: 978-3-86846-028-5
686f.

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh, s.: 2020.5005.4
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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