23.01.2024

Briefe



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ID: 8030
Geschrieben am: Dienstag 07.07.1840
 

Leipzig d. 7//7 40
Gestern, meine liebe Emilie, erhielt ich Deinen Brief mit Paulinens, der mich sehr erfreute; ich beeile mich Dir ein Wörtchen zu antworten. Madam Kietz wird Dir diese Zeilen überbringen – sie reist heute nach Paris ab. Ich hab’ sie nicht gesprochen, doch hat sie mir ihre Reise wissen lassen, damit ich ihr Etwas mitgeben könne. Paulinens’ Brief war sehr lieb und ganz wie die Alte. Hätte ich nur heute Zeit Dir alles daraus mitzutheilen. Einiges nur: (ganz wie sie sich ausdrückt) Meine theuere Clara, es ist schon fast ein Jahr, daß ich keine Nachricht von Dir empfangen habe! hast Du denn meine Briefe nicht bekommen? oder hast Du mich ganz vergessen? … ach, nein, dieß Gedanke ist nicht erträglich! und Du bist zu gut, zu empfindsam um Deine treue Pauline vergessen zu haben – nein, nein, es ist nicht möglich, es kann nicht sein. Den Kietz hab’ ich in Paris gesehen und von ihm erzählen lassen, wie Du geplagt und unglücklich warst – gleich hab ich Dir nach Berlin geschrieben, ohne Antwort zu erhalten – einige Zeit nachher schrieb <’> ich wieder, Dir meine Heirath an zu kündigen – ja, liebe Clara, |2| ich wünsche Dir das Glück welches ich jetzt genieße – mein theuerer Gemahl ist ein edler, geistvoller, liebender Mann. Seine hohen Kenntnisse, sein liebenswürdiger Charakter, sowie seine zärtliche und mächtige Liebe für mich, entzücken alle die Augenblicke meines Lebens. Er ist ein Litterateur von größtem Talente und Reputation – seine Werke sind von dem [r] ganzen künstlichen Welt bekannt – beste Clara, bald hoffe ich, bald werde ich ihn Dir vorstellen können – und bald hoff’ ich auch, werde ich Dich Clara Schumann nennen können – könnte es gleich geschehen!
Wie Du siehst, wir sind jetzt in Italien – wir machen eine Reise blos die jetzigen Künstler zu hören – meine theure Mutter reist mit uns. Den nächsten Winter werden wir in Paris sein – werde ich Dich da treffen? ich hoffe ja! –
Willst Du mich ganz glücklich sehen, so schreibe mir, wenn auch ein paar Zeilen und richte sie ….. an Fräulein Viardot, meines Gemahls Schwester in Paris – Sie wird ihn mir schicken.
Adieu, theuerste Clara, sey immer meine Freundin wie vorher und empfange einen zärtlichen Kuß von Deiner Pauline Viardot.
Ma mere t’embrasse bien affectueusement et mon bien aimé Louis te présente ses compliments respectueux en attendant mieux – |3| Wann Du an Herrn S…nn schreiben wirst, sage ihm, daß mein heißester Wunsch ist Dich und ihn vereint zu sehen – ich hoffe ein kleines Plätzchen in seinem Herzen zu füllen – nicht wahr, Du erlaubst es mir? …. Adieu, liebes Kind, vergiss mein nicht.
Da hast Du den ganzen Brief Wort für Wort. Er hat mich sehr gefreut, da ich mich von ihr ganz und gar vergessen glaubte, und beinah in die Versuchung gerieth, sie anderen Sängerinnen in Hinsicht des Charakters gleichzustellen – ich dachte, sie sey am Ende durch die Triumphe verdorben. Doch dieser Brief zeigt sie noch ganz die Alte, und ihren schönen offenen Charakter. Ich muß ihr nächstens schreiben. Die Lieder hebe ruhig auf für sie und sende sie ihr, sobald sie nach Paris kommt.
Neulich Abend, als ich aus unserm Garten nach Hause komme, leuchtet mir schon von Außen eine festliche Beleuchtung entgegen; ich denke, was ist denn das? ich komme in das Zimmer und finde – einen Flügel von Härtels, ganz und gar bekränzt, zu beiden Seiten Myrthe und Orange und darin ein Gedicht von Robert. Es heißt:
1.
Die Orange und Myrthe hier
Und rings der Blumen Zier,
Und in der Mitte ein Flügel fein,
Das muß wohl von meinem Liebsten sein.
2.
Er sey Dir werth; wie schön sie blüht,
Die Blume verblüht; was tiefer glüht,
Du hegst es im Herzen auf treuem Herd;
Die Kunst sie bleib Dir werth!
3.
Und kann ich nicht immer bei Dir sein,
Eil’ dann zum Freund und denke mein
Doch denk’ ich daß wir in allen Tagen
All Leid und Freud zusammen tragen.
Ist das nicht schön? ach ich freute mich so, daß ich kein Wort hervor bringen konnte. Der Flügel ist prachtvoll, und hat mir wieder Lust zum Spielen gemacht.
Mein letzter Brief, den Du gestern erhalten haben mußt, wird Dir Manches im voraus beantwortet haben, was ich in Deinem letzten Brief fand. Was Du mir ┌von┐ der Sand schriebst, war mir höchst interressant. Ich habe mir die Frau auch ganz anders vorgestellt.
Liebe Emilie, Du mußt nie ungeduldig sein, wenn ich Dir nicht umgehend auf Deinen Brief antworte; ich habe so gar selten Zeit |4| was Du Dir ja denken kannst.
Unser Prozeß wird vielleicht binnen 14 – 3 Wochen aus, im Fall der Vater ihn fallen läßt, was er geäußert haben soll, thut er es jedoch nicht, nun so wird es vor Weihnachten nichts, und ich muß allein <> meine nächste Reise machen (nicht ohne Ursache siehst Du das ausge¬strichen – richte Dich darnach). Schweige.
Ich erwarte nächstens Antwort von Dir, meine gute Emilie, und tren¬ne mich heute von Dir.
Beifolgenden Brief ┌an Heller┐ bitte ich Dich gleich zu besorgen.
Adieu! grüße Alles tausend Mal und sey von ganzer Seele umarmt von Deiner alten treuen
Dich innigstliebenden
Clara.
Ich bleibe noch nahe an 4 Wochen hier.
Addio! Ihr Lieben!
Schreibe mir gleich, ob Du diesen Brief erhalten, und wann, sonst bin ich unruhig.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Leipzig
  Empfänger: List, Emilie (962)
Empfangsort: Paris
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 8
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit der Familie List und anderen Münchner Korrespondenten / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Ekaterina Smyka / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-019-3
122-126

  Standort/Quelle:*) CH-Bps, s: Sammlung Rudolf Grumbacher
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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