Leipzig d. 1/10 1841
Nun komme ich doch nicht länger umhin, mich schriftlich an Dich, liebe Sophie, zu wenden. So sehr mich Dein Brief erfreute, so sehr betrübte mich Dein Aussenbleiben. Mit größter Ungeduld harrten wir den gan¬zen Dienstag Vormittag Eurer – warum kamt Ihr nicht? ich wäre gewiß Montag Abend selbst gekommen Dich zu sehen, doch lag ich diesen Tag gerade im Bett, welches ich durchaus nicht verlassen durfte, und hatte so fürchterliches Kopfweh, daß es mir unmöglich war Dir selbst auf Dein freundliches Schreiben zu antworten, und deswegen mein Mann es über¬sehen [sic]. Hast Du überhaupt sein Schreiben erhalten? mir sorgten leise Zweifel dagegen, denn daß Du so gar nichts bis jetzt von Dir hören ließest, ist mir unbegreiflich. Hast Du irgend Etwas vielleicht übel genommen? ist es Dirs, so schreibe es mir aufrichtig, und |2| kann ich meinen Fehler wieder gut machen, so soll es geschehen. So schreib mir etwas recht bald, wann wir uns wiedersehen werden? Kommt Ihr nicht zum ersten Koncert her? überhaupt nicht für den ganzen Winter? lass mich das ja bald wissen.
Für Eure Glückwünsche meinen Herzlichen Dank! ja, meine liebe Sophie, dem, der das überstanden ist Glück zu wünschen; ich hatte mir so eine Niederkunft schrecklich gedacht, doch diese Schmerzen lassen sich gar nicht denken, die kennt nur, wer sie selbst erfahren. Aber das Glück, das Gefühl, wenn das Kind den ersten Schrei thut, ist größer als alle Schmerzen sein können. Wir sind selig in unserer Kleinen, die ein allerliebstes Kindchen ist, und, was mich nun so sehr freut, meinem Ro¬bert außerordentlich gleicht. Von mir hat sie nichts, als die langen |3| Finger, die sich aber en miniatur ganz niedlich ausnehmen. Zu meinem Geburtstag am 13ten wurde sie getauft und Marie genannt, und am 12ten war unser Hochzeitstag. Meine Mutter kam auch dazu von Berlin, und so waren es denn Tage voll Aufregung, aber der glücklichsten. Geboren ist die Kleine am 1ten Septbr unter Blitz und Donner, Vormittags gegen 11 Uhr. Mein Mann ist ein glücklicher Papa, und liebt mich darum nur noch zärtlicher. Konnte etwas unsere Liebe noch erhöhen, so war es dies! man liebt sich in so einem Kinde noch einmal. Gott erhalte uns unser Kleinod, und mache auch Dich bald zu einer glücklichen Mutter. Die Freude mit so einem kleinen Wesen geht vom frühen Morgen an; das Erste was ich thue, wenn ich aufgestanden bin, ist, daß ich sie bade – das ist ein Vergnü¬gen! Dann schreit sie, dann schläft ┌sie ┐, und immer hat man |4| seine Freude, so ein Kind mag thuen was es will: Du mußt aber nicht denken, daß ich meine Kunst an den Nagel hänge. O nein! einen Monat mußte ich meiner körperlichen Schwäche wegen pausiren, doch mit heute habe ich wieder mit Tonleitern, Terzen, Trillern pp. angefangen. Ich bin übrigens eine Wöchnerin, wie es selten eine geben mag, so wohl, so rüstig; ich habe bereits schon wieder Fußparthien mit meinem Robert gemacht, und habe vom ersten Tage an nicht einen Tropfen Arznei bekommen. Ich schone mich aber doch noch, denn man sagt, die alte Kraft komme erst nach 6 Wochen wieder.
Ich erschrecke, wie viel ich Dir von meinem unbedeutenden Ich vor¬geschwatzt, doch eine Freundin urtheilt über meine Fehler, die ja blos aus Freundschaft begangen, gewiß nachsichtig, und Du, meine liebe Sophie, nimmst ja gewiß aufrichtigen Theil an Allem was mich betrifft, das weiß ich.
Ich sage Dir nun Adieu, und bitte Dich recht bald um ein paar Zei¬len. Schreib mir was Du machst, und ob denn meine Wünsche für Dich nicht bald in Erfüllung gehen werden? schreib mir ja recht viel von Dei¬nem Leben und Wirken – auch Du bist doch gewiß meiner Theilnahme versichert.
Robert grüßt Dich und Deinen lieben Mann mit mir freundlichst, und ich umarme Dich noch mit aller Liebe.
Clara