Dresden d. 4 März 184<8>9
Lieber Herr Avé,
gewiß wollen Sie nichts von mir wissen, daß ich so lange Ihr letztes freundliches Schreiben unbeantwortet ließ, doch war es wirklich nicht meine Schuld, denn ich war die letzten Monate immer so angegriffen, daß ich meine Kräffte auf die musikalischen Anstrengungen, deren ich in letzter Zeit Viele hatte, sammeln mußte, und dann, in der Hauptsache, was unser Kommen betraf, hatte ich Ihnen schon geschrieben. Zwar hat sich nun die Aufführung meines Mannes Oper wieder hinausgeschoben (Sie werden wissen, wie es geht, hat man mit Theaterdirectionen zu thuen) und wären wir nun gar zu gern noch gekommen, doch will mir der Arzt durchaus keine so anstrengende Reise jetzt gestatten, und da muß ich mich denn fügen. Recht traurig bin ich darüber, denn gar zu <sehr> gern hätte |2| ich Sie und Ihre liebe Frau, Otten’s, Parish und so Manche wieder gesehen, und dann auch das schöne, oder vielmehr interressante Hamburg mit seinen Schiffen, Fischen ect. ect.
Mir fiel aber etwas noch ein! hätten Sie nicht vielleicht Lust die Schröder-Devrient, die doch gar zu herrlich noch singt, zu dem Concert am 17ten einzuladen? sänge sie Ihnen Einiges von Gluck aus Orpheus und neben den bekannten Schubert’schen auch einige Lieder meines Mannes, die sie seit Monaten hier und in Leipzig mit größtem Beifall singt, so könnte ich Ihnen doch bestimmt einen wahren Genuß versprechen. Daß sie das Anerbieten annähme, glaube ich, da sie jetzt auf keine Weise gebunden ist, und gern etwas unternimmt. Verzeihen Sie, daß ich mich in Ihre Angelegenheiten mische, doch dachte ich |3| Ihnen vielleicht zu dienen, wenn ich Sie darauf aufmerksam machte.
Vielleicht sehen wir Sie nächsten Sommer, es wäre wohl möglich, wir machten einmal einen Abstecher nach Hellgoland, was ich mir seit Jahren wünsche! –
Mein Robert grüßt Sie freundlichst; er ist immer sehr fleißig, und schreibt im Augenblick mit großer Passion an einem Concertstück (erschrecken Sie nicht) für 4 Hörner, ferner hat er eben ein Adagio <fü> und Allegro für Klavier und Horn (ein herrliches Stück), dann für Klavier und Clarinette 3 Soireestücke ect. ect. geschrieben. Da die Oper nun in Leipzig wieder bis nach Ostern verschoben ist, so wird Robert seinen Faust, von dem Sie vielleicht gehört haben, aufführen. Es ist dieß die Seligsprechung des Faust |4| zum Schluß des 2ten Theiles. Wir haben es hier mit einem seit einem Jahr von meinem Manne gegründeten Singvereine aufgeführt, und war die allgemeine Stimme des gebildeten Publikums, daß die Musik Einem die Dichtung erst recht verständlich mache. Ich liebe diese Musik leidenschaftlich!
Ich habe Ihnen aber viel vorgeschwatzt, und am Ende haben Sie Alles das mit recht bösem Gesicht gelesen! sollte dies wirklich der Fall sein, so bitte ich schließlich noch einmal recht dringend um Verzeihung, und gewiß Sie geben <S> sie Ihrer
wahrhaft ergebenen
Clara Schumann.
Schönste Grüße Ihrer lieben Frau, Otten’s, Nannetten, Madam Petersen, und bitte, lieber Herr Avé, lassen Sie beiliegendes Briefchen Frl. Parish zukommen.