Düsseldorf d. 18 Nov. 1852
Verehrtester Freund,
wie so innig erfreut haben Sie uns durch Ihren lieben Brief, den ich Ihnen gewiß gleich beantwortet hätte, läge ich nicht seit 3 Wochen fest im Bette, und noch heute schreibe ich Ihnen sitzend im Bett, eigentlich unerlaubter Weise! ich möchte Sie aber doch nicht länger ohne unseren herzlichen Dank für Ihre treue Freundschaft lassen – jeder neue Beweis erwärmt Einem so recht das Herz. Damit Sie Sich jedoch meinetwegen nicht beunruhigen, so will ich Ihnen nur sagen, daß mein Unwohlseyn nur Folge eines bösen Umstandes ist, der mich in Scheveningen <> betraf und zwar als üble Wirkung der Seebäder, die, gerade zu der Zeit gebraucht, mir nichts taugten; so fehlt mir denn also weiter nichts, als daß ich ruhig liegen muß, und mich nicht aufregen darf. Wie schwer mir das wird, kann ich Ihnen gar nicht sagen, ich bin nicht mehr Dieselbe, wenn ich nicht thätig sein kann. Heute vor drei Wochen spielte ich noch ein Concert, und Tags darauf mußte ich mich legen! – Ich denke übrigens doch bis Sonntag wieder aufstehen zu dürfen. Mein Robert bessert sich Gott sey Dank von Tag zu Tag, und zwar, seit er sich entschloß sich Blutigel setzen zu lassen, woraus uns denn die große Beruhigung wurde, daß sein Leiden ein rein hämäroidalisches ist, das sich natürlich bei einem so reitzbarem, zart organisirten Gemüthe |2| weit heftiger zeigt, als bei Einem, <gewöhnlicheren,[?]> der seinen Kopf nicht anstrengt, überhaupt materieller ist. Seine Nerven waren nun allerdings auch in einer großen Verstimmung – da hat denn Alles ineinander gegriffen. Nun, dem Himmel Dank, er wird jetzt immer mehr der Alte, und Sie können wohl denken, wie mit seiner Genesung mein ganzes Glück wiederkehrt. Es war eine schwere Zeit, doch, wer des Glückes so viel genießt, wie wir Beide, Stunden der höchsten Begeisterung und Wonne, wie Millionen sie nicht kennen, der muß <auch> nicht murren, wenn er einmal daran erinnert wird, daß er auch nur ein Mensch ist! –
Sie haben auch Manches Freudige und Traurige durchgemacht, und rührend war mir die Schilderung Ihres so herrlichen Familienlebens, das nun leider recht einen Riß bekommen durch den Tod Ihres verehrten Vaters! Von Ihrem Bruder, erzählte mir mein Mann, habe er höchst rühmliches gelesen als Arzt von Amerika <ist> aus – ist Dieser Derselbe, der ein Jahr bei Ihnen war? wie geht es Ihrer Frau Mutter und Schwestern? Ihrer theueren Frau?
|3| Ich will nun auch auf Ihre Anfrage wegen des philharmonischen Concertes kommen! wir hätten, vorausgesetzt, daß wir wohl sind, sehr gern Ihre Einladung angenommen, doch würde das nicht eher gehen, als im März oder April; nun ist es aber so schlimm, daß Sie schon jetzt darüber Gewißheit haben wollen, wo doch mein Mann noch immer nicht ganz genesen ist, und folglich auch noch keine Pläne macht! nun versprechen wir es Ihnen am Ende, und dann kömmt Etwas dazwischen, und es geht wieder wie voriges Jahr! d. h. es würde uns eben Nichts als Krankheit abhalten können dießmal unserem Versprechen nachzukommen. Bitte, lieber Freund, schreiben Sie mir noch einmal, welches der letzte Termin ist, bis zu welchem Sie unsere bestimmte Antwort haben müßten? gar zu gern kämen wir wieder einmal zu Ihnen! wie so Vieles könnte ich Ihnen erzählen von all dem herrlichen Neuen von Robert, welches er vor seiner Krankheit geschaffen! Balladen für Orchester, Chor und Solostimmen: „der Königssohn“ „des Sängers Fluch“ (Uhland), „der Page und die Königstochter (Geibel[)]“ |4| eine Messe und noch so Manches mehr! ich ließe mich gern näher darauf ein, doch fühle ich, daß mich das Schreiben angreift in der unbequemen Lage, daher seyen Sie für heute nur noch mit Ihrer lieben Frau herzlichst gegrüßt. Robert grüßt Sie ebenfalls auf das freundlichste, und hofft sehr, daß wir uns noch diesen Winter sehen! er möchte doch auch gern sein Pathchen kennen lernen! –
Verzeihen Sie die<> schreckliche Schrifft heute – es ging aber durchaus nicht besser.
In alter treuer Freundschaft
Ihre
Clara Schumann.
NB: Ist Schubert jetzt in Hamburg? wer ist seine hübsche junge Frau? Oh, über die Männer! –
Was Sie uns von Wagner schrieben stimmt ganz mit unserer Ansicht überein! besonders habe ich immer gesagt, Der sollte Alles thuen, nur nicht Musik machen! – Doch das entre nous!
Kaum wage ich es, diese schreckliche Schrifft Ihnen zu senden! bitte, haben Sie Nachsicht! –