23.01.2024

Briefe



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ID: 8134
Geschrieben am: Montag 02.01.1860
 

Berlin d. 2. Jan. 1860.

Ihr schöner langer Brief, lieber Joachim, hat mich gestern Abend so innig erfreut, daß er mir den Schluß des nicht eben freudigen Tages zu einem frohen gemacht. Weiß ich auch, daß Sie mein treuer Freund, so liegt es denn eben in der weiblichen Natur, daß das Herz doch nach einem lieben Worte zuweilen verlangt, und das thut dann innig wohl! – Ich war am Sylvester im Sommernachtstraum und als das XXXX kam, da bildete ich mir fest ein, Sie müßten angeklopft haben, und ich müßte Sie bei’m nach Hause kommen finden, und Frau Gisela’s Aeußerung, daß Sie versprochen einen Tag hierher zu kommen, bestärkte mich darin. Der Sommernachtstraum, war, obgleich mittelmäßig ausgeführt (namentlich der musikal Theil unter Taubert) entzückend! ein solches Stück mit solcher Musik vereint ist doch höchste Wonne! Frau Gisela schenkte mir neulich einen Abend, leider war Herrmann Grimm nicht mit – es war eigen, sie sagte, er sey nicht wohl, und daher habe sie Ihn spatzieren geschickt; bei mir habe er gefürchtet Musik zu hören, und die würde Ihn zu sehr aufgeregt haben. Es ist doch sonderbar, daß die Leute immer glauben Musiker könnten sich nur wohl befinden bei ihrer eigenen Musik. Ich verbrachte den Abend mit Frau Gisela und Rudolph Grimm allein, ohne Musik und doch schön. Die Stunden waren schnell vergangen. Ich habe mir es wohl gedacht, daß Sie jetzt sehr fleißig an Ihrem Concerte, und um so schwerer wird mir meine heutige Bitte, die Ihnen von Ihrer kostbaren Zeit viel raubt. Ich sende Ihnen nämlich die Bach’schen Cello-Sonaten, mit der Bitte, sie durchzugehen, und mir zu sagen, ob ich sie so drucken lassen kann – Schubert will sie so schnell als möglich. Haben Sie von Düsseld Einladung erhalten? Die sind aber doch rechte Lumpen dort, seit 4 Wochen lassen sie sich wegen 15 Thl mahnen! Noch eine Frage: haben Sie vielleicht die Capricen von Paganini mit Roberts Begleitung? ich suche sie seit mehreren Tagen vergebens. Bitte, besinnen Sie Sich, ob ich sie Ihnen etwa einmal zur Durchsicht gegeben? Ich bin sehr bestürtzt darüber und begreife es nicht von mir, die ich in solchen Dingen eher pedantisch, als unordentlich. Fragen Sie doch auch Johannes darnach, der ja Ende dieser Woche bei Ihnen sein wird. Auch wüßte ich gern, ob Sie oder Er die Manfred Original-Partitur besitzen? vergessen Sie dies, bitte nicht.Mit Johannes, lieber Joachim, haben Sie mich aber nicht ganz verstanden. Ruhm will ich Ihm ja nicht machen, finde es aber so einfach, daß er, wenn ich hier Concert gebe, seine Serenade aufführt. Das ist kein Aufdringen dem Publikum; thue ich <di>es, so ist’s ja nur um der Sache halber, hingegen sucht Johannes in Leipzig die Aufführung der Serenade zu erzwingen, so könnte man das wohl eher über’s Knie brechen nennen. Dort kämpft er entschieden mit bösem Willen, hier höchstens mit Unwissenheit, obgleich er ein kleines Publikum theilnehmend findet, das bin ich überzeugt. Hamburg hat aber für die Anerkennung und Verbreitung seiner Sachen gar kein Gewicht, Berlin nach Leipzig doch am meisten. Daß Sie aber dabei sein könnten, hatte ich gehofft! – Nun, ich erzwinge nichts, dazu ist mir Johannes viel zu lieb und gut, also, liegt Ihm nichts daran, so unterbleibt es. Ich habe es Ihm vorgeschlagen, weil er selbst mir schrieb, er möchte gern seine Serenade so viel aufführen als möglich. Jetzt seyen Sie auf’s herzlichste gegrüßt! bleiben Sie mir im neuen Jahre gut! meiner treuen Freundschaft sind Sie versichert für alle Zeiten.
Ihre
Cl. Sch.

Lassen Sie wirklich die B dur Symphonie am 7ten aufführen? Wegen Braunschweig nächstens – heute weiß ich noch nichts. <>

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Berlin
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
488-491

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6376-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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