Leipzig, den 15ten Juli 1838.
Euer Hochwohlgeboren
wagt sich der Unterzeichnete heute als Bittender in einer für ihn höchst wichtigen Angelegenheit vorzustellen.
Ihre gütige Theilnahme an meinen Bestrebungen geben mir den Muth zu meinen Fragen. Vor Allem würde ich Sie, hochverehrtester Herr, ersuchen, von meinem Vorhaben, das mich zu diesen Zeilen veranlaßt, gegen Jedermann vor der Hand noch schweigen zu wollen. Die Frucht ist noch nicht reif für die Oeffentlichkeit.
Zur Sache, der Sie gütige Aufmerksamkeit schenken möchten:
Besondere Verhältnisse (keiner gefährlichen, eher freundlichen Natur) machen es nöthig, für die Zukunft meinen Heerd in einer |2| größeren Stadt aufzuschlagen. Wien liegt meinem Wirken am nächsten; nach kurzer aber reiflicher Erwägung habe ich mich für Ihr schönes Wien entschieden und vielleicht schon zum Schluß dieses Jahres die Freude, mich Ihnen persönlich vorstellen zu dürfen.
Nun aber will ich meine mir an’s Herz gewachsene Zeitschrift nicht aufgeben; im Gegentheil, sie soll mit mir, soll von Januar an in Wien erscheinen. Die Verlagsangelegenheiten werden bereits geordnet und in Kurzem geschlichtet sein.
Wollten Sie, den ich als einen so freundlichen Beschützer der Kunst noch zuletzt von Frl. Klara Wieck schildern hören, einem unerfahrenen Künstler, der noch nicht lange aus den Kinderschuhen, mit Ihrer Einsicht, Ihrem Rathe beistehen, welche Schritte |3| er zunächst thun muß, wie die Erlaubniß zur Herausgabe der Zeitung in Oesterreich zu erlangen? Die Zeitschrift mag als eine jugendliche, unerschrockene, oft sehr strenge bekannt sein; indeß hat sie nie Politik u. dgl. berührt, als daß ich fürchten sollte, man würde ihrem Erscheinen in Wien Hinderniße von Seiten der Censur in den Weg legen. Wollten Sie jetzt die Güte haben, mich darauf Ihre gefällige Ansicht wißen zu laßen? –
Die Zeitung soll also vom Januar 1839 an in Wien erscheinen, ich selbst will Ende October hin. Wird die Zeit vom October bis Ende December hinreichen, um die Censurangelegenheiten in Ordnung zu bringen, die Druckerlaubniß mir auszuwirken? Könnte ich vielleicht schon jetzt durch ein einzureichendes Schreiben an die betreffende Behörde meinem Ziele näher kommen? Und an welche hätte ich mich da zu wenden? Würden |4| mir besondere Empfehlungen, ein Ministerialpaß pp von Nutzen sein? Muß ich irgend Caution stellen? Bedarf es besonderer Legitimation?
Entschuldigen Sie die Menge Fragen! Ihre staatsmännischen Einsichten stellen Ihnen vielleicht im Augenblick dar, was ich zunächst zu thun habe. Laßen Sie mir bald eine gütige Antwort zukommen, ich würde es Ihnen aus tiefstem Herzen danken. Die Zeit drängt mich etwas, und ich habe hier kein Bleibens mehr.
Wie ich mich auf Ihr schönes Wien erfreue, welche Aussichten sich mir durch diese Uebersiedelung eröffnen, und wie durch den Umzug der Zeitung Nord- und Süddeutsche Kunst sicherlich zu innigerem Bande verknüpft werden, über dies und manches Andere in meinem nächsten Briefe, wenn ich wieder schreiben darf.
Vielleicht daß ich mich auch Ihres hohen Schutzes erfreuen darf, und daß Sie den Fremdling einlassen, wenn er vorspricht.
Mit nochmaliger Bitte um Geheimhaltung meines Vorhabens, und mit der um eine baldige gütige Auskunft
verharre ich Euer Hochwohlgeboren
ganz ergebenster
Robert Schumann
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