Dorpat d. 27 Febr: 1844
Dienstag.
Verehrter Herr, Wir können nicht aus Dorpat gehen, ohne Ihnen von hieraus einen Gruß zu senden, wo so Vieles uns an Sie erinnert, und wir so viel von Ihnen und Ihrer lieben Frau sprechen. Robert würde selbst schreiben, doch ist er seit 6 Tagen bettlägrig, und erst heute hat er das Bett ein wenig verlassen. Er hatte sich sehr stark erkältet, besonders bei einer Fahrt nach Rathshof, welches uns Ihr Herr Schwager zeigen wollte, und wo wir uns etwas lange in der Gemäldegallerie aufhielten, die wenig geheitzt <> war. Ich habe recht sorgenvolle Tage gehabt, da doch die Zeit der Abreise drängt, ich hoffe aber nun, daß wir Donnerstag fort können, da mein Mann sich zu bessern anfängt. Ein Glück, daB mein Mann hier und,nicht etwa in Riga krank wurde, denn hier sehen sie uns wirklich Alles an den Augen ab, schicken tagtäglich Krankensuppen, Erfrischungen ect: Ich habe selten eine Stadt von so liebenswürdigen Bewohnern gefunden, als Dorpat, und von so enthusiastischer Kunstliebe. Wir sind nun 8 Tage hier, und bereits habe ich 3 brillante Concerte gegeben, und den enthusiastischten [sic] Beifall gefunden, auch erhielt ich gestern Abend nach dem Dritten eine schöne Serenade von einem Sängerchor, der sehr gut singt und meinen Mann mit einem Männerquartett seiner Composition überraschte. Bei Ihrem Herrn Schwager waren wir öffters, die letzten Tage nur konnten wir natürlich nirgends hingehen; Broecker ist ein sehr freundlicher Mann, und dabei vortrefllicher Concertbesorger. Alle Ihre Briefe waren uns bis jetzt von großem Nutzen, und nochmals danken wir Ihnen freundlichst dafür. AuBerdem habe<n>ich noch näher kennen gelernt: Grafin Sievers, Baronin v. Fittinghof, Frau v. Mensencampf, Fraulein Lilienfeld und Bruder, Frau v. Waal, eine höchst liebenswürdige Frau, und so Viele noch. Ich habe mich selten in einer fremden Stadt so wohl gefühlt, als hier, und, <>wären wir nicht so eilig, gern bliebe ich noch hier. Ihren Herrn Schwager haben wir in Verdacht einige generöse große Freiheiten (Roberts Ausdruck) gegen uns verübt zu haben. Es folgt hierbei eine Ansicht von Rathshof, die vorzugsweise Ihrer lieben Frau ein kleines Vergnügen gewähren soll. Rathshof ist einer der reizendsten Landsitze, die ich noch gesehen, und muß im Sommer wonnevoll zu bewohnen sein. Wie oft dachte ich hier schon an Ihre Frau Gemahlin - in Ihres Schwagers Wohnung erinnert mich immer jede kleine Stelle an sie, vorzugsweise das Camin, an dem sie oft gesessen haben mag'! Seyen Sie, lieber Herr Concertmeister, freundlichst, so wie Ihre liebe Frau, von uns Beiden gegrüßt, und Dank Ihnen noch besonders, daß Sie uns veranlaßt Dorpat zu besuchen. Ich hoffe, Sie schreiben uns einmal nach Petersburg, und dann recht ausführlich, wie es Ihnen und der Kunst in Leipzig geht. Gedenken Sie zuweilen Ihrer
aufrichtig ergebnen
Clara Schumann.
Nb: Sie haben doch Roberts Brief von Riga erhalten? ist das Riga doch eine häßliche
Stadt!-