23.01.2024

Briefe



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ID: 8152
Geschrieben am: Samstag 05.06.1852
 

Düsseldorf d. 5 Juni 1852.

Meine Herzens-Pauline,
wie innig habe ich mich über Deinen lieben, lieben Brief gefreut und wie von Neuem über die gute Nachricht deines lieben Mannes! danke Ihm von ganzem Herzen dafür, daß er mich so bald von Eurem Glücke benachrichtigt hat! wie froh bin ich, daß Du glücklich die schwere Stunde überstanden hast! der Himmel schütze Dich und Deine Kleine auch fernerhin! – Aber wie sehr ich überrascht war, wirst Du Dir denken können – nach so langer Pause! Ihr hättet Euch wohl einen Knaben gewünscht, doch, hat man es nur wohlbehalten in seinen Armen, so ist Einem Eins so lieb wie das Andere. Meine geliebte Pauline, wann werde ich Dich einmal wieder sehen? ach, wie sehne ich mich nach Dir! es ist gar lange, daß wir uns nicht sahen! – Aber, hat mir meine liebe Freundin nicht etwas weiß gemacht mit den „verlorenen Briefen“? die Briefe kommen |2| doch immer an, wenn sie wichtige Dinge betreffen, warum also sollten sie außerdem immer verloren gehen? meinst Du ich sey Dir bös, wenn Du mir nicht schreibst? das ist nicht möglich! daß Du mir gut bist, weiß ich, darauf baue ich für alle Zeiten; daß Du mir aber selten schreibst, finde ich ganz natürlich! eine Künstlerin wie Du, in Paris und London wohnend, hat keine Zeit für auswärtige Freundinnen – ich weiß recht wohl in welchem Troubel und Treiben Du in deiner Stellung leben mußt. Wenn Du nur manchmal einen Gedanken zu mir sendest, das ist mir schon lieb, freilich ein Brief noch mehr! – Ich hoffe, Du bist jetzt schon über die schlimmsten Tage hinweg. Wie heißt das Töchterchen? Hat sich Louise recht gefreut? ich denke mir das recht ein Jubel bei Euch! – Daß wir nicht nach London gekommen, thut mir sehr leid, wer weiß aber ob ich dort Anerkennung gefunden hätte, |3| der Claus gegenüber, die mit dem Publikum zu coquettiren versteht, und die große Jugend für sich hat, was Beides, Letzteres leider nicht bei mir der Fall ist. Ihre musikalischen Fähigkeiten kenne ich genau, und halte sie doch für ein bedeutendes Talent, sonderbar ist es aber, daß sie jetzt die classischen Compositionen besser spielt, als die Andren, früher war es umgekehrt! ich hörte viel lieber von ihr von Chopin ect. als von Beethoven, denn zum Vortrage des Letzteren scheint mir gehört eine gewisse Reife, die erst die späteren Jahre und langes ernstes Leben in der Kunst mit sich bringen. Doch es kann sein, ich irre! – Ach, liebste Pauline, wenn wir nur noch einmal nach England kämen! Doch mein Mann will nicht eher dahin, als bis er bestimmte Aussicht hat, irgend ein größeres Werk, Symphonie oder Peri, oder sonst Etwas aufzuführen. Wäre denn das gar nicht zu bewerkstelligen, daß er aufgefordert würde im philharmonischen Concerte eine Symphonie aufzuführen und ich zu spielen? |4| Ich bin manchmal recht traurig darüber, daß ich alt werde und vielleicht nie dahin komme, wo ich, ginge es glücklich auch einmal recht ordentlich Etwas verdienen könnte. Doch dies, meine liebe Pauline, nur zu Dir.
Wenn du recht wohl wieder bist, höre ich dann einmal wieder von Dir? Hoch erfreuen würdest Du mich dadurch! Heute muß ich mich von Dir trennen. Habe nochmals Dank für Deinen letzten Brief, grüße und danke Deinem lieben Manne, sage auch Deiner verehrten Mutter das Schönste von mir und behalte lieb

Deine
Dir innig ergebene
Clara Schumann.

Robert grüßt Euch Beide herzlichst und freute sich mit mir Eures Glückes! –

NB: Ich vergaß Dir mitzutheilen, daß das Musikfest hier erst im nächsten Frühjahr statt finden soll! –

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Viardot-Garcia, Pauline, geb. Garcia, Pauline (1623)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
948 - 951

  Standort/Quelle:*) F-Pn; NAF 16273, F. 106-107
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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