23.01.2024

Briefe



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ID: 8187
Geschrieben am: Freitag 27.11.1857
 

München den 27sten November

Geehrte Freundin.

Wie leid thut es mir, daß ich auf Ihre lieben Zeilen nicht eigenhändig antworten kann, und doch wollte ich nicht länger meinen Dank Ihnen zu sagen aufschieben. Eine rheumathische Entzündung im Arm hindert mich nun schon seit acht Tagen gänzlich an aller Thätigkeit und mußte ich hier wie in Augsburg mein zweites Concert und Anderes absagen, hoffe aber bis in acht Tagen wenigstens hier dasselbe nachzuholen. Sie haben vielleicht gehört, daß ich hier wie in Augsburg äußerst freundlich aufgenommen war. Lachner <>sowie das Orchester kamen mir auf das Freundlichste entgegen, und wäre Alles so erwünscht wie möglich gegangen, wäre nicht dieser unglückliche Zufall dazwischen gekommen. In Wien werde ich Sie diesen Winter wohl nicht sehen, hoffentlich aber nächsten Winter, wo ich vielleicht einem engagement zu Folge nach Rom für einige Monate gehe, und dann mit dem Rückwege Wien und Pesth berühre. Von hier aus denke ich eine kleine Tour in der Schweitz zu machen, bringe dann die Weihnachtszeit vielleicht hier zu und gehe dann nach Stuttgardt, Carlsruhe und weiter. England werde [ich] in diesem Frühjahr wohl nicht besuchen, da ich von dorther höre, daß die saison abermals ein schlechte werden wird. Was ich vor Ostern vornehmen werde ist noch gar nicht entschieden; ich habe aber daran gedacht, nach Warschau und Krakau zu gehen, und wäre es mir sehr erwünscht, wenn Sie gelegentlich einmal zu Frau Julie Rettich gingen und sich erkundigten ob deren Tochter sich noch dort aufhält; vielleicht hätte auch Frau Rettich die Güte, mir einige Briefe dorthin zu verschaffen oder wenigstens würde sie leicht durch ihre Tochter erfahren können, welches die musikalischen Autoritäten dort, an die man sich betreffs Concerte zu wenden hätte. Ich hätte der lieben Rettich (wollen Sie ihr dieß sagen) gern selbst mit diesem geschrieben, jedoch kostet mich das Diktiren mehr Anstrengung, als schrieb ich selbst. Sie, geehrte Freundin, wollen entschuldigen, daß ich Sie abermals und immer für mich bemühe; jedoch haben Sie dieß Ihrer mir so oft bewiesenen Bereitwilligkeit zuzuschreiben. Es sollte mich sehr freuen, erführe ich noch hier von Ihnen und Ihrer lieben Auguste, die ich herzlich grüße, und trifft mich ein Brief von Ihnen jederzeit unter der Adreße von Freulein E. List, Amalienstraße 89. <Spi> Spina wird Ihnen wohl gesagt haben, wie sehr er mir abgerathen diesen Winter nach Wien zu kommen und mir scheint unter den Verhältnißen wie sie sich dort gestalten, daß er sehr recht hatte. Van Debrois war freilich nicht der Meinung und ziemlich erbittert wie mir schien, daß ich Spina mehr gefolgt als ihm. Mir scheint, daß Spina als jedenfalls der praktischere die Verhältniße besser zu beurtheilen wüßte. Was meinen Sie dazu?
Ich hoffe recht bald von Ihrem Wohlergehen zu hören und verbleibe mit den freundlichsten Grüßen
Ihre ergebene
Clara Schumann.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: München
  Empfänger: Eichthal, Elise von (14086)
Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 4
Briefwechsel Clara Schumanns mit Maria und Richard Fellinger, Anna Franz geb. Wittgenstein, Max Kalbeck und anderen Korrespondenten in Österreich / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2020
ISBN: 978-3-86846-015-5
136-139

  Standort/Quelle:*) A-Wst, s: H.I.N. 119111
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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