Leipzig, d. 1ten Jan. 1844
Hochgeehrter Herr,
Schon bei Ihrem Hiersein hörten Sie wohl von meinem Manne, daß er die Absicht habe nach Rußland mit mir zu reisen; er hat sich nun fest dazu entschlossen, und ich komme Folge dessen mit einer großen Bitte an Sie, verehrtester Herr, sie betrifft einige Empfehlungsbriefe die ich nach Petersburg haben möchte. Wollen Sie uns die Freundschaft erweisen Metternich um Einige zu bitten? es hängt in Petersburg viel von guten Briefen ab, und ich darf ja wohl hoffen, daß mir als Kammervirtuosin dies nicht abgeschlagen wird von Seiten Metternichs; auch an Frau von Cibbini will ich schreiben, und vielleicht ist es möglich daß ich von der Kaiserin eine Empfehlung an die Russische Kaiserin bekomme!? –
Wir denken Mitte dieses Monats abzureisen, ersuchen Sie deshalb sobald als möglich unsere Wünsche zu erfüllen.
|2| Sie waren schon einmal so freundlich gegen mich, gewiß sind Sie es auch dißmal!
Schade, daß Sie nicht bei der zweiten Aufführung der Peri (8 Tage später) zugegen waren! Das Ganze wurde weit enthusiastischer aufgenommen, ging auch im Ganzen noch schöner zusammen, bis auf die kleine Parthie, welche Sie so überaus freundlich waren zu übernehmen, wo unser Herr Sänger auszubleiben drohte. Mein Mann wurde schon als er auftrat mit dem lebhaftesten Applaus empfangen, und ein schöner Lorbeerkranz zierte das Dirigirpult, was übrigens meinen Robert nicht wenig confus machte. Wäre es möglich Metternich zu ersuchen auch meines Mannes in den Briefen zu erwähnen? er kennt ihn doch persönlich!
Ich hoffe, Sie haben Ihre Reise glücklich vollendet, und die lieben Ihrigen wohl |3| angetroffen? Hat Ihre verehrte Frau Gemahlin noch nicht Magnetismus versucht? wäre es nicht gut vielleicht einmal eine berühmte Somnambule (nahe bei Oschatz wohnend) wegen ihres Zustandes zu befragen? ich glaube sie heißt Höhne, und hat seit 2 Jahren Wunderkuren vollbracht – viele Menschen reisen zu ihr um sie über Krankheitszustände zu befragen, obgleich die Aerzte nicht viel davon wissen wollen, wie ja überhaupt von Allem was nicht Arzneien sind. Wie sehr wünschte ich Ihrer Frau Gemahlin Genesung! –
Verzeihen Sie, daß ich Ihre kostbare Zeit in Anspruch genommen und noch nehme durch meine Bitte; erfreuen Sie uns bald durch eine Antwort.
Mein Mann empfiehlt sich Ihnen Beiden auf das angelegentlichste, sowie Ihrem Herrn Bruder, ich aber bitte Sie zu verzeihen
Ihrer
ganz ergebenen
Clara Schumann.
|