Paris d. 15/5 39.
Verehrtester Herr und Freund,
Sie werden mir folgende Bitte nicht unfreundlich aufnehmen: ich bin gesonnen nächsten Winter nach Bellgien, Holland und England zu gehen und wende mich nun an Sie wegen einiger Empfehlungs-Briefe an diese 3 Orte; am liebsten wäre es mir an die Oesterreichischen Gesandten in Brüssel, Amsterdam, im Haag, und in London zu haben, und nicht wahr, Sie verschaffen Sie mir? und senden sie mir hieher? meine Adresse ist: Rue de Navarin, Faubourg Montmartre No. 12, und den ganzen Sommer gedenke ich hier zuzubringen, also würden mich die Briefe keinenfalls verfehlen. Seit 3 Monaten bin ich hier, und gab vor Kurzem ein höchst brillantes Concert, wohl das brillanteste der ganzen Saison; nächsten December gedenke ich vor meiner Abreise noch Eines zu geben. Bald erwarte ich den Vater, den ich jetzt nun seit 4 Monaten nicht sah; er hatte so viel Geschäffte, daß er mich dießmal nicht |2| begleiten konnte.
Noch eine kleine Bitte hätte ich wohl! ich schicke Ihnen hierbei einen von den Aufsätzen über mein Concert aus dem Courier Francais; hätten Sie wohl die Güte, einige Zeilen daraus zu entnehmen und sie in die Bohémia zu <end> setzen, es liegt mir sehr viel daran und ist Ihnen gewiß ein Leichtes. Ich weiß Sie haben so sehr viel Geschäffte, doch thun Sie mir gewiß gern diesen Gefallen.
Wie geht es Ihnen? Ihrer Frau und den lieben Kindern? ist Alles in bestem Wohlseyn? componiren Sie recht viel? schreiben Sie mir doch ein wenig von Ihren neuen Compositionen. Kürzlich componirte ich ein Scherzo in das Album was vergangene Weihnachten bei Haertels erschien; dieses Scherzo halte ich wohl für Eine meiner besten Compositionen; ich möchte wohl wissen, ob es Ihnen gefallen würde.
Haben Sie nichts von Nicolai gehört, wie es ihm geht? wie befindet sich Frau von Cibbini? Sechter? (Den Sie ja von mir schönstens grüßen mögen); auch Herrn Lickl und Herrn Professor Fischhof bitte ich meine Grüße zu sagen; Letzterem lasse ich |3| danken für seine freundlichen Zeilen durch Mlle Muller. Ihrer lieben Frau und Kindern sagen Sie recht viel Schönes von mir.
Ich hoffe, Sie werden ohngeachtet Ihrer vielen Geschäffte, einmal und zwar recht bald ein Augenblickchen Zeit finden mir ein Wörtchen zu senden, Sie machen mir große Freude dadurch. Ach wie gern käme ich wieder nach dem lieben Wien! ich hab immer eine Sehnsucht dahin.
Länger will ich nun aber Ihre Zeit nicht in Anspruch nehmen und schließe nur noch mit der Bitte Meiner zuweilen freundlichst<en> zu gedenken, wie ich Ihrer und Ihrer lieben Familie so oft.
Mit aufrichtigster Verehrung
Ihre
Clara Wieck.
Können Sie mir nicht vom Hof eine Empfehlung an den Englischen und Holländischen Hof verschaffen? das wäre mir außerordentlich lieb, besonders an Ersteren. Verzeihen Sie ja die vielen Bitten All.
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