23.01.2024

Briefe



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ID: 8481
Geschrieben am: Montag 27.09.1852
 

Düsseldorf d. 27 Septbr. 1852

Meine theuere Freundin,
was denkst Du wohl, daß ich so lange wartete, ehe ich Deinen Brief, der mir so große Freude verursachte, beantworte! ich lief gleich nach Empfang Desselben auf die Post, und erfuhr zu meiner Beruhigung, daß man zwei Tage zuvor, also Sonntag d. 19 ten einen Brief mit 500 Thl. nach Schlangenbad an Dich abgesandt habe. Da ich nun diese Zusicherung hatte, verschob ich mein Schreiben an Dich bis heute, denn wir waren Tags zuvor, ehe ich Dein Schreiben erhielt, erst vom Seebad zurückgekehrt, meine Leute waren unter der Zeit in ein andres Logie eingezogen, und nun kannst Du Dir denken, was ich zu thuen vorfand! alle Schränke durcheinander geworfen, das war ein furchtbares Chaos! Wie ich mich aber über Deinen Brief gefreut, das kann ich Dir gar nicht sagen! so lange Zeit hatte ich mit größter Sehnsucht auf eine directe Mittheilung von Dir gehofft, vorigen Sommer erwartete ich Dich täglich von Ems aus, da mir Madam Preußer versicherte, Du kämest uns zu besuchen; wie erschrack ich, als ich hörte, Du seӱest nach Berlin, und, ich hatte Dich nicht gesehen! das betrübte mich sehr! Du weißt ja, wie Du immer mein Kunst-Ideal warest, und in ewige Zeiten bleiben wirst! wie könnte ich je der Stunden vergessen, wo ich in Dir die Welt vergaß! nein, meine liebe, verehrteste Wilhelmine, Du bleibst mir ewig Dieselbe! Dein Romeo, Armida, Desdemona, Euryanthe – wer könnte Diese je wieder vergessen, wenn man empfunden hat, wie ich! doch, ich will Dich nicht ermüden, nur vorwerfen muß ich Dir den <s> Anfang Deines Briefes, wo Du mich fragst, ob ich mich Deiner noch erinnern wolle! Das war auch wohl nur so eine Phrase zum Beginn! – Wenn Du mich aber nur ein wenig lieb hast, so umgehst Du Düsseldorf nicht wieder! ich bitte Dich, geliebte Freundin, mache ja Dein Versprechen wahr, denn schon jetzt schlägt mir das Herz unruhig, wenn ich denke, daß ich Dich wiedersehen soll! das wäre doch einmal wieder so recht eine Erfrischung! – Wir haben leider diesen Sommer recht sorgenvolle Zeit verlebt; mein armer Robert war drei Monate unaufhörlich leidend (Folge von zu angestrengtem Arbeiten), und es wurde so schlimm, daß wir uns vor 6 Wochen noch plötzlich entschließen mußten nach Scheveningen in’s Seebad zu reisen. Die Bäder haben ihn nun doch so weit schon wieder hergestellt, daß er leichte Arbeiten machen kann, doch muß er noch immer jede Anstrengung meiden. Du kannst Dir wohl denken, was ich gelitten habe, den Mann, den ich über Alles liebe, so leiden zu sehen; es war eine förmliche Nervenverstimmung, die sich oft bis zur Schwermuth steigerte. Nun, dem Himmel Dank, er hat diese Prüfungszeit an uns vorüber gehen lassen – wir haben so viel des Glückes genossen, wir mußten auch einmal daran erinnert werden, daß wir eben nur Menschen sind, und auf der Erde leben, wo ewig Leid und Freude wechseln. Ich erzähle Dir nichts weiter von uns – nicht wahr, Du kommst, meine verehrte Freundin? Robert legt Dir seinen freundlichsten Blick zu Füßen, und harrt mit mir sehnsüchtig einer baldigen Nachricht von Dir, der Du dann gewiß gleich nachfolgest in die Arme Deiner Dir innig ergebenen Clara Schumann.
Deinem verehrten Manne unsere angelegentlichsten Empfehlungen!

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
Empfänger: Schröder-Devrient, Wilhelmine, in 3. Ehe verh. Bock, Wilhelmine (1405)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
446ff.

  Standort/Quelle:*) GB-Ob, s: Ms. M. Deneke Mendelssohn, c. 1, fols. 138-139, D-Zsch, Abschr., s: 6846-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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