Düsseldorf d. 21 März 1853
Geehrte Frau,
eine Entzündung am Auge hinderte mich bis jetzt, Ihre freundlichsten Zeilen zu beantworten, und selbst heute kann ich Ihnen nur Wenig sagen, da ich eigentlich gar nicht schreiben darf; ich möchte aber nicht in Ihren Augen am Ende gar unfreundlich erscheinen, und so nehmen Sie mit Wenigem Fürlieb.
Daß wir nicht nach Leipzig kommen, ist allerdings wahr, der Hauptgrund, daß wir diese Reise aufgaben war meines Mannes Gesundheit! er ist zwar jetzt fast ganz wohl wieder, schafft auch wieder, aber er muß alles Zuviel vermindern, von Früh bis Abend Besuche machen, empfangen, Gesellschaften, oft Zweie des Tages besuchen, das greift seine Nerven noch zu sehr an, und zurückziehen kann sich |2| doch der Künstler nicht! gerade in Leipzig, wo wir so viele liebe Freunde haben, möchten wir sie Alle auch genießen können. Ein anderer Grund war das Musikfest, welches am 15ten Mai hier statt finden wird, und wobei mein Mann viel zu thuen und vorzubereiten hat, also doppelte Veranlassung hat, sich zu schonen, damit er dann recht bei frischer Kraft ist.
Was Liszt‘s Anfrage wegen des „Sängers Fluch“ betrifft, so sagen Sie ihm gefälligst, daß das Werk noch gar nicht ausgeschrieben ist, wir selbst es noch nicht gehört haben, und, bitte, grüßen Sie ihn freundlich von uns. Fl. Schloss ist jetzt in Hamburg um dort im Mehsias zu singen, sowie auch philharmonischen Konzerte. Ich fürchte, wir verlieren sie bald von hier! sie kann nicht bestehen hier, |3| Düsseldorf ist zu klein, und für sie der Wirkungskreis zu gering.
Nun geehrte Frau, seyen Sie mit Ihrem Herrn Gemahl und Sohn recht freundlich gegrüßt. Entschuldigen Sie meine schlechte Schrift – es will aber nicht recht mit dem Schreiben gehen! Mein Mann emphiehlt sich Ihnen Beiden angelegentlichst.
Wahrhaft ergeben
Ihre Clara Schumann
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