Düsseldorf d. 9 Jan. 1854
Lieber Freund,
höchst unangenehm überrascht war ich, auch von Ihnen zu hören, welch falsches Gerücht Sie über Robert vernommen, und unbegreiflich ist es mir von Harriet, daß sie Ihnen Nichts aus meinem neulich an sie gerichteten Schreiben mitgetheilt! da Sie mir Grüße von ihr gebracht, so mußte sie doch <v> um Ihr Schreiben wissen, und hätte Ihnen dann doch Etwas erzählen können! ich habe ihr ganz ausführlich über unsere schöne Reise in Holland geschrieben, und daß Robert nie wohler, als jetzt war, ferner daß ihm die Reise große Lust zu neuen Reisen im nächsten Winter gemacht ect. ect. auch wegen unserer hiesigen Verhältnisse schrieb ich ihr Alles, und nun kommen Sie, unser liebster Hamburger Freund, und wissen von nichts! haben Sie gar nichts gelesen in den musikal Zeitungen? nichts, wie sehr wir in |2| Holland geehrt worden sind? ich habe diese letztvergangene Zeit schon so Vielen müssen en detail erzählen, daß ich es wahrhaftig nicht mehr kann! bitten Sie, lieber Freund, Frl. Parish um den letzten Brief, welchen ich ihr geschrieben, oder lassen Sie Sich von ihr daraus erzählen, ich weiß, es freut Sie! –
Was nun Ihre abermalige freundliche Einladung betrifft, so muß ich sie abermals ausschlagen! wir reisen nämlich, einem alten Versprechen an Joachim nachzukommen, nächste Woche nach Hannover; ich spiele dort, und Robert soll seine „Peri“ dirigieren, dann aber müssen wir gleich hierher zurückkehren, denn ich mag nicht mehr öffentlich jetzt spielen; es hat sich in Hannover schon länger hinausgeschoben, als ich gewünscht hätte. Ich erwarte im Mai meine Niederkunft, und nun begreifen Sie |3| gewiß meine Scheu, jetzt noch vor das Publikum zu treten, auch fängt es doch an mich anzustrengen, kurz, es geht jetzt nicht. Nächsten Winter aber haben wir uns, so Gott will, vorgenommen, viel zu reisen, und da wollen wir denn zuerst nach Hamburg, Leipzig, Berlin, dann wieder nach Holland und England, was wir dieses Frühjahr wegen meiner Umstände aufgeben mußten. Schreiben Sie mir also gelegentlich wenn Sie Ihr erstes Concert nächsten Winter haben, darnach richten wir uns dann, denn gern, sehr gern kämen wir einmal wieder zu Ihnen. Ach, wäre es jetzt gegangen, wie gern hätten wir Sie je eher je lieber wieder gesehen! –
Ich freue mich zu hören, daß bei Ihnen Alles wohl geht, und Ihr kleiner Robert so gut gedeiht. Gott segne Sie mitsammt Ihrer lieben Familie auch im neuen Jahre!
|4| Von uns wissen Sie, daß es uns gut geht, und ich kann Ihnen zu Ihrer Beruhigung sagen, daß Robert diesen ganzen Winter noch keinen Augenblick krank war. Ich habe ihm nichts von Ihrer Befürchtung gesagt, ebensowenig von Harriets neulichem Briefe, denn es hätte ihn am Ende verstimmt, und wozu das! –
So seyen Sie denn herzlichst von uns Beiden gegrüßt, und bewahren Sie Ihre Liebe und Freundschaft Robert und mir
Ihrer
immer ergebenen
Clara Schumann.