23.01.2024

Briefe



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ID: 8607
Geschrieben am: Sonntag 10.09.1854
 

Düsseldorf d. 10 Septbr. 1854
Lieber Freund,
recht lange schrieb ich Ihnen nicht – ach, immer dachte ich es sollte mir das Glück werden, Ihnen recht Freudiges mittheilen zu können, doch leider ist es heute ein anderer Grund, daß ich Ihnen schreibe. Sie haben vielleicht schon gehört, daß die Genesung meines theueren Roberts einen Anfang genommen, es geht Ihm viel besser, er ist körperlich sehr wohl, heiter und oft gesprächig, macht seit einem Monate viel Spatziergänge in die Umgegend, noch immer aber kommen irre Gedanken vor, noch immer fragt er nicht nach Freunden (ausgenommen einmal vor längerer Zeit nach Wasielewski) nicht nach mir, obgleich er mir vor 4 Wochen zwei Mal nach einander Blumen geschickt, die er dem Fräulein in der Anstalt gab mit der Weisung, sie nach Düsseldorf zu schicken, an Wem [sic], das wisse sie schon. Seitdem aber gab er kein Zeichen mehr, daß er an mich denke! doch ich bin es überzeugt, er fühlt aber selbst, daß der Keim seiner Krankheit noch immer vorhanden. Der Arzt, der neulich zum ersten Male |2| ausgesprochen, daß er zuversichtlich auf Genesung hoffe, sagt mir aber immer, daß es sehr langsam gehen werde. So sehe ich mich denn genöthigt meine Reisepläne für den Winter zu ordnen, denn, offen gestanden, (Ihnen kann ich es ja wohl sagen) ich muß jetzt trachten Etwas zu verdienen. Nicht wahr, Sie reichen mir dazu freundschaftlichen Rath? Ich dachte, ob ich vielleicht in einem der ersten philharmonischen Concerte in Hamburg spielen, und dann eine eigene Soiree geben könnte? und, wann könnte das wohl sein? mir wäre es sehr lieb, könnte es von Mitte Octbr bis Mitte November seyn, oder auch bis zur 3ten Woche Novembers. Wollen Sie vielleicht auch einmal mit Parish darüber sprechen, was sie zu einer Subscription meinen? Es wäre mir aber lieb, gäben Sie mir bald Antwort, weil ich von Leipzig und Frankfurth a/m Nachrichten erwarte, und dann Alles so ordnen muß, daß Eines sich an das Andere reiht.
Ich bin vor wenig Tagen erst von Ostende zurückgekehrt, und habe dort |3| das Seebad, aber bis jetzt leider ohne großen Erfolg gebraucht. Meine Nerven sind sehr angegriffen, wie es ja wohl kein Wunder. Sie wissen wohl, daß mir der Himmel einen starken munteren Knaben schenkte; es ging mir auch sonst so leidlich, nur sind eben meine Nerven so sehr geschwächt, daß mich besonders das Musikmachen entsetzlich aufregt. Doch, schonen kann ich mich jetzt nicht! schwer wird mir’s mit einem Herzen so voll Kummer mich in das Gewühl der Welt zu stürtzen, doch ich thue es ja für Ihn, den heißgeliebten Mann, und meine Kinder, und so wird Gott mir wohl Krafft verleihen.
Ihre liebe Frau ist hoffentlich recht wohl, auch Ihre Kinder? ich habe recht oft Ihrer gedacht, schrieb ich auch nicht – ach, ich wollte so gern anders schreiben können, als es heute der Fall.
Wollen Sie mir noch mittheilen ob Julius Schubert jetzt in Hamburg ist, oder in Amerika.
Herzlich wie immer Ihre
Ihnen innig dankbare
Clara Schumann.



  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Avé-Lallemant, Theodor (121)
  Empfangsort: Hamburg
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 24
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Norddeutschland / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Michael Heinemann, Anselm Eber, Jelena Josic, Thomas Synofzik, Ute Scholz und Arend Christiaan Clement / Dohr / Erschienen: 2025
ISBN: 978-3-86846-034-6
176ff.

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6263-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 

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