23.01.2024

Briefe



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ID: 8610
Geschrieben am: Donnerstag 21.09.1854
 

Düsseld. d. 21 Septbr. 54.

Lieber, verehrtester Freund,

etwas auf dem Herzen behalten, was, ich weiß es, Sie innig erfreut, das kann ich nicht! es ist ein Gruß von meinem geliebten Robert an Sie, lieber Joachim! er schreibt mir, ich möchte ihn Ihnen senden, wenn ich an Sie schriebe. Sie werden Brahms Brief vor Diesem erhalten haben, wo ich Ihnen den ersten des theueren Mannes abgeschrieben, wie viel lieber noch sendete ich Ihnen den zweiten gestrigen! er schreibt von der Violin-Fantasie, die Sie so herrlich gespielt, fragt, ob Ihre Hamlet-Ouvertüre erschienen, ob die Anderen fertig seyen, was Sie und Brahms sonst noch componiert haben – ach so Vieles noch. So ist mir denn ein Glück geworden; welches ich vor 14 Tagen noch zu denken kaum gewagt hätte, und doch, glauben Sie mir wird es mir zu tragen unendlich schwer! ich möchte Ihm mein ganzes Herz entgegen bringen können, Ihm sagen dürfen; wie Er all mein all mein Denken und Fühlen, und doch muß ich in meinen Briefen vorsichtig sein, muß immer die gewaltigen Herzschläge aufhalten, so Vieles zurückdrängen! – Daß ich zu Ihm kommen möchte, davon schreibt er noch nichts – ich vermuthe, daß Ihm dies die Aerzte doch noch ausreden, und er fügt sich willig in Alles, was sie Ihm sagen. So wird es nun, trotz allem Guten, doch sehr langsam vorwärts gehen, worauf ich ganz gefaßt bin! ich bitte nur immer Gott, daß er mir Krafft giebt, die furchtbaren Aufregungen die ich jetzt wieder durchlebt, und die mir noch bevorstehen, glücklich zu überstehen. Dazu muß mir mein alter, treuer Freund, mein Clavier helfen! oh, lieber Joachim, was es Herrliches ist Künstler zu sein, glaubte ich immer zu wissen, und weiß es doch erst jetzt recht eigentlich, wo ich doch nur in der göttlichen Musik Leid und Freude so recht aushauchen kann, daß es mir dann oft ganz wohl wird! – Nun, wer könnte dieß mehr wissen als Sie, der herrliche Künstler! wie ganz anders wissen Sie es noch als ich, der Sie Schaffen können! Soll ich Ihnen sonst noch sagen, <s> von mir, meinen Plänen, Thuen, so ist es das, daß ich fleißig spiele (dürfte ich, es gern noch viel mehr thäte) und am 16 Octbr. nach Leipzig gehe, später zum 11 Nov. nach Hamburg, dann Berlin ect. Wie es mir ist, zu reisen, das brauche ich Ihnen nicht zu sagen! mich drängt aber einestheils die Pflicht, anderntheils der innige Wunsch, daß Er, mein geliebter Mann, sein Haus, wenn er uns zurück kehrt, in gutem Stande finden möge! welch herrliches Gefühl, kann ich das wirklich ausführen! dieß Gefühl wird mir gewiß auch die Krafft verleihen! – Wie so gern wüßte ich nun aber, wenn mir einmal wieder die Freude wird, Sie zu sehen? Können Sie uns denn nicht einige Tage besuchen? bitte, schreiben Sie mir das! können Sie nicht, so kommen wir zusammen am 15ten Octbr. nach Hannover, wo ich dann einen Tag bleibe, denn, sehen und sprechen, und Ihnen einmal wieder mit freudigem Herzen die Hand drücken, das muß ich – auch von Ihm! – Noch muß ich Ihnen sagen, was mich, Ihnen noch nicht haben sagen zu können, drückte daß ich in Allem was Sie über Brahms Variat. sagten beistimme; sie sind ganz herrlich, und ich kann gar nicht den Augenblick erwarten, wo mein Robert sie sehen und hören wird; ich habe sie fleißig studiert und mit immer mehr Begeisterung. Sie zürnen mir nicht, lieber Freund, daß ich meinte, sie säßen mit glücklichem, freundlichem Blicke neben mir, wie schon manchmal, und ich müßte Ihnen so Vieles sagen! aber Ihnen und dem theueren Brahms öffne ich so gern mein ganzes Herz – Sie lieben und verstehen ja Ihn, den so verehrungswürdigen Mann, ganz in seiner tiefsten Seele, seinen innersten Saiten! Ich muß Ihnen noch Etwas mittheilen, was mich sehr beglückte. Ich schrieb dem Robert vom Kleinsten, daß ich 3 Namen gewählt, er möge den Ihm liebsten heraussuchen, worauf er mir antwortete „Wenn Du wissen willst, welcher mir der liebste Name, so erräthst Du ihn wohl – der Unvergeßliche! – Nun Sie errathen ihn auch! – es war Derselbe, den ja auch ich gewählt. Leben Sie wohl, und wollen Sie mir bald einmal einige Zeilen senden,
so thuen Sie es zur innigen Freude Ihrer
Clara Schumann.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
133ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6300-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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