23.01.2024

Briefe



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ID: 8618
Geschrieben am: Donnerstag 02.11.1854
 

Lieber Joachim,

hätte ich neulich gekonnt, ich hätte Ihren Brief, der mir mit einem von Brahms am Concerttage zusammen kam, und recht innige Freude bereitete, gleich beantwortet, ich war aber wirklich so beschäfftigt dort, daß ich nicht zu mir selbst kommen konnte. – Sie wissen, daß es mir auch in meinem Concerte Alles recht glücklich ging, und sicher waren es die zwei Briefe am Morgen, die mir Muth und Freudigkeit zur Sache brachten; ich fühlte mich in dem Concerte so frisch, wie selten! ach, könnte ich mir doch diese Stärkung an jedem Concerttage ausbitten! – Hier wird mir’s recht schwer, Alles, spielen, leben! hier ist ja Niemand, der mir im geringsten nahe stünde, Niemand, der Ihn, den geliebten Mann, kennt und versteht, und wo ich das vermisse, da ist’s, als ob die Luft mich drückte, da wird mir ordentlich das athmen schwer! die einzige wirklich mein Herz recht wehmüthig aber auch wohlthuend <> berührende Stunde verlebte ich bei Jeanrenaud’s, wo mich ordentlich wie eine geheiligte Luft anwehete. Da sah ich die alten lieben Bilder wieder, sah Marie, die das unbeschreiblich schöne Auge ihrer Mutter hat – kurz, immer mußte ich denken, hier haben sie, die Beiden von uns Allen so sehr geliebten und verehrten, geweilt, und ich meinte, ich dürfte nur sachte auftreten, so andächtig war mir’s. Gespielt habe ich auch, natürlich von Mendelssohn, und so sehr ich Mad. Jeanrenaud recht verschlossen fand, so wurde sie doch recht bald warm, und dann war es erst recht wohlthuend um sie zu sein! – Ich vergesse aber ganz, was ich heute eigentlich wollte! mein lieber, verehrter Freund, mit Gott sehe ich Sie bald, und wäre es nur auf ein Stündchen! ich komme entweder Montag oder Dienstag nach Hannover. Wäre es nicht vielleicht gut den König davon zu <> sagen? ich kann es heute noch nicht bestimmt sagen, welchen Tag ich komme, schreibe es aber noch, sobald ich es gewiß weiß. An die Bernsdorff habe ich nicht geschrieben – ich dachte, ich wollte die Königin selbst um Ihren Urlaub bitten – das schien mir noch besser; meinen Sie aber anders, so kann ich noch immer thuen, wie Sie es wünschen. Hat Ihnen Brahms von dem letzten lieben, theueren Brief meines Roberts geschrieben? ich bat <i>Ihn darum. Wollen Sie Grimm herzlich grüßen, und bald hoffe ich Ihm für seinen Brief zu danken. Ich spiele hier am Freitag (Morgen) im Museum und Sonnabend eigene Soiree – denken Sie ein wenig an mich, dann geht’s gewiß besser! Ihren Auftrag an Frau Preußer habe ich ausgerichtet, überhaupt aber in Leipzig recht viel von Ihnen gesprochen – mündlich mehr darüber. Wie freue ich mich Sie zu sehen! Möchten Sie mich auch ein wenig gern sehen und bis dahin seyen Sie herzlichst und verehrungsvoll gegrüßt
von
Ihrer
Clara Schumann.

Frankfurth d. 2 Nov. 1854.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
139ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6302-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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