23.01.2024

Briefe



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ID: 862
Geschrieben am: Dienstag 27.07.1847
 

Dresden, den 27sten Juli 1847.
Hochzuverehrender Herr,
Eingedenk Ihres mir so oft bewiesenen gütigen Wohlwollens erlaube ich mir, mich wegen der Vacanzangelegenheit an Ihrem Conservatorium mit einigen Fragen an Sie zu wenden. Lockt es doch den Musiker immer wieder in jenes Land, wo unsre größsten Meister gelebt, wo am Ende für alle Bestrebungen ein fruchtbarer Boden anzutreffen ist!
Die Stelle, die gerade jetzt offen, mag Manchen reizen, auch mich. Halten Sie sie passend für mich, und, was noch mehr zu erwägen, mich für sie? Der Gehalt ist kein |2| großer, der Wirkungskreis aber ein◊1 so bedeutender, wie ihn sich ein junges feuriges Streben nur wünschen kann. Auch kenne ich die Organisation derartiger Institute schon von Leipzig her, dessen Conservatorium ich mit begründete.
Nun wünschte ich, durch Ihre Güte Manches zu erfahren, hauptsächlich dies, ob schon vom Ausschuß der Gesellschaft der Musikfreunde irgend ein Künstler, dem man die Stelle anvertraute, vorzugsweise in’s Auge gefaßt worden – denn ich weiß, daß bei solcher Gelegenheit oft persönliche Verhältniße mitsprechen –, sodann, ob, wenn dieses nicht der Fall, ich mich als eine persona non ingrata betrachten dürfte. Wißen möchte ich auch, wer über |3| die definitive Besetzung eigentlich zu entscheiden hat.
Ueber die Einrichtung des ganzen Institutes, über die Ansprüche, die an den Director gemacht werden, über die Zahl der Stunden, die er zu geben hat, etwas Genaueres zu erfahren, wäre mein Wunsch in dem Fall, daß Sie die Stellung überhaupt für mich geeignet fänden.
Ersuchen möchte ich Sie nur, dieses Schreiben durchaus als ein nur an Ihre verehrte Person gerichtetes betrachten, und seines Inhaltes vor der Hand gegen Niemanden erwähnen zu wollen. In wie weit die Sache ernstlicher anzufaßen, hängt lediglich von Ihrer gefälligen Antwort ab. Möchten Sie mir sie recht bald zukommen laßen!
|4| Nach diesem geschäftlichen Theil des Briefes erlauben Sie mir nun nach Ihrem Befinden selbst zu fragen, nach dem Ihrer verehrten Frau Gemahlin und Ihrer Kinder. Wir selbst haben vor vier Wochen unser jüngstes Kind, einen Knaben, verloren; die drei Mädchen, die wir noch besitzen, beglücken uns durch ihr Gedeihen. Sonst ist es uns, namentlich in Berlin, recht wohl ergangen; auch Musik erklingt oft im Innern, – manches hab’ ich fertig gemacht, manches angefangen. Und zuletzt denk’ ich mich, auf jenen heißen Brettern, die „die Welt bedeuten“, auch einmal umzusehen.
Von den vielfachen Auszeichnungen, die Ihnen wiederholt zu Theil geworden, haben wir mit Freude gelesen; möchten Sie, hochgeehrter Herr, trotzdem und wie Sie immer thaten, der Kunst treu bleiben – auch wie bisher ihren Jüngern gewogen
und namentlich Ihrem
hochachtungsvoll ergebenen
R. Schumann.

  Absender: Schumann, Robert (1455)
  Absendeort: Dresden
  Empfänger: Vesque von Püttlingen, Johann (1621)
  Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 27
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Österreich, Ungarn und Böhmen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Michael Heinemann, Anselm Eber, Jelena Josic, Carlos Lozano Fernandez und Thomas Synofzik / Verlag Christoph Dohr Köln / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-052-0
1531ff.

  Standort/Quelle:*) A-Wst, s: H.I.N. 31364
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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