Lieber Herr Büchner,
Ihre Sonate gab ich an Hrn. Whistling und Sie werden sie bereits erhalten haben. Das Stück gilt mir als ein schöner Beweis Ihres Fleißes, Ihres Strebens und Talentes. Aber es hat Breiten und verräth hier und da, daß Sie dies selbst fühlten. Vieles ließe sich ändern; anderes wieder nicht; ich meine damit einige Motive im Adagio und Scherzo. Betrachten Sie aber, anstatt zu ändern und umzucomponiren, das Stück als eine Studie und gehen mit neuer Kraft an etwas Neues; ich glaube, es fördert Sie mehr. Wie gesagt, es gefällt mir Vieles, ich sympathisire mit Vielem – und zu Allem kömmt Ihnen auch eine bedeutende Kenntniß des Instrumentes und seiner schönsten Wirkungen zu Statten, wie man es nicht oft in neueren Claviercompositionen antrifft. Aber hier und da merkt man auch wieder zu viel den Clavierspieler. Den müßten Sie, muß der Componist ganz in’s Feuer werfen, will er eben mehr als vorübergehend wirken und gelten. Nur was aus dem Herzen kömmt, nur was innerlich geschaffen und gesungen, hat Bestand und überdauert die Zeit. Möchten Sie mir meine Bemerkungen nicht übel aufnehmen, es ist so schwer, über die geheimnißvollen Kräfte des schöpferischen Vermögens sich auszusprechen; es läßt sich eben nur andeuten. In keinem Fall aber lassen Sie nach, rüstig fortzuarbeiten, auch wenn der Beifall der Welt lange auf sich warten läßt. Ich las neulich, „jeden Tag zermalme der Künstler seine Eitelkeit, seinen Ehrgeiz“ – um heiter und kräftig aus dem Kampf hervorzugehen. Diese Worte rufe ich denn auch Ihnen am Schluß dieser Zeilen zu, und bin mit der Versicherung meiner aufrichtigen Theilnahme
Ihr
ergebener
R. Sch.
d. 9. April 1848.
[BV-A, Nr. 1301:] A. Büchner Leipzig Ueber seine m. ded. Sonate.
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