Briefe
ID: | 8646 | ||||
Geschrieben am: | Freitag 12.01.1855 |
Tausend Dank, lieber Joachim, für die reizenden Phothographieen, die wir, Johannes und ich, gleich über meinem Schreibtische aufgehangen haben. Dank aber auch, daß Sie mir schrieben; und so lieb schrieben! nur damit bin ich sehr unzufrieden, daß Sie mir den Glücksfall nicht mitgetheilt – ich hätte Ihnen gar nicht zugetraut, daß Sie das Herz einer Freundin so grausam angreifen könnten! meinen Sie denn, daß man das so eben nur liest und dann gut sein läßt? überlegen Sie einmal, wenn ich Ihnen nun schreiben wollte, „Johannes war gestern in Endenich – Morgen mehr davon!“ (das Morgen kommt aber nicht? –) Nun, da bin ich denn doch liebender für meine Freunde besorgt. Sie sollen gleich wissen, daß Johannes gestern 2 Stunden bei meinem Robert war, Ihm die Balladen und Variationen3 vorspielen mußte, und mein Mann höchst freudig erregt war Ihn zu sehen; gleich als <er>Johannes kam, hörte er <i>Ihn schon auf der Treppe die 2te Ballade spielen, und als er herein kam, umarmte <er>Robert Ihn mit den Worten „ist es wahr, Johannes, kommst Du von Düsseldorf“? er war dann etwa 5–10 Minuten lang heftig erregt, so daß er sehr schnell und leise vor sich hinsprach, er müsse fort ect. Johannes brachte Ihn aber endlich davon ab, und dann war er ganz wie immer und immer ganz beseligt lächelnd! während der Balladen und Variationen machte er seiner Begeisterung fortwährend durch Ausrufungen Luft, und als Johannes endlich nach 2 Stunden fort wollte, suchte er Alles hervor Ihn noch zu halten, als er Ihm jedoch sagte, er wolle noch eine Nachricht bringen, ließ er Ihn gehen. Er gab Ihm einen ganzen Bogen von Correcturen mit, die er in der Cäsar <>Ouvertüre gemacht, und war entrüstet über die vielen Druckfehler, die darin, auch hat er das thematische Verzeichniß seiner Werke mit großer Aufmerksamkeit durchgesehen, und Ihm wieder mitgegeben. Als Johannes fort ging, hörte er Ihn unten noch eine Novellette spielen, überhaupt erzählte Ihm Robert, daß er oft Tage lang den ganzen Tag spiele, was auch der Arzt sagte. Er hat ein schönes Instrument – Johannes war sehr befriedigt davon. Ich hatte Ihm seine Uhr mitgeschickt, so wie seinen Wandcalender, und darüber hat er, wie über liebe traute Freunde, große Freude geäußert. Ach, sein Gemüth, sein herrliches, zeigt sich wie im Großen so im Kleinsten! es kann wohl kaum ein Mensch zu höherer Bewunderung hinreißen, als Er, der Verehrte! Verzeihen Sie, lieber theuerer Joachim, diese eiligen Zeilen, ich bin aber von Freude und Schmerz so tief ergriffen, daß mir alle innere Ruhe fehlt. Adieu, Lieber! nochmals innigsten Dank, herzlichste Grüße von Johannes Ihnen und Grimm und meinen getreuen. |
|||
Absender: | Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179) | ||||
Absendeort: | Düsseldorf | ||||
Empfänger: | Joachim, Joseph (773) | ||||
Empfangsort: | |||||
Schumann-Briefedition: | Serie: II / Band: 2 Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019 ISBN: 978-3-86846-013-1 174-177 | ||||
Standort/Quelle:*) | D-Zsch, s: 6307-A2 | ||||
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla |
|||||