23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 8652
Geschrieben am: Mittwoch 14.02.1855
 

Nur ein Wort der Freude, einen Händedruck, lieber theuerer Freund, für Ihre schöne Sendung! die Variationen wie wunderherrlich, wie tiefinnig, zart und kräftig zugleich, mächtig ergreifend, und so meisterlich Alles, Note für Note! es macht’s Ihnen Keiner so leicht nach, solche Variationen! Johannes möchte Ihnen so gern schreiben, er ist wieder so von Neuem mit Bewunderung für Sie erfüllt, aber er sagt, man kann ja nicht so schreiben, was man fühlt, und wohl hat er Recht – auch ich wollte Ihnen ja nur eben danken. Johannes meint, die Variationen seyen so herrlich, wie er sie sich gedacht. Nun, bald sprechen wir uns, und bald sollen sie, (die Var. und Melodieen) klingen, recht aus tiefster Tiefe! Gestern hatte ich wieder Nachricht vom Arzt! eigentlich nicht gut. Robert hört wieder oft Musik am Abend, und wundert sich denn, wenn’s der Wärter nicht auch hört! ist das nicht ganz die alte Krankheit? nur in milderem Grade! bedenken Sie ein Jahr, und doch, wie wenig besser! wenns so langsam fortschreitet, muß es nicht wenigstens noch einmal so lang währen? sollte Einem nicht manchmal der Muth sinken? Grund dazu hätte ich doch! – Ich warte wohl sehnlichst auf bestimmte Antwort von Ihnen, denn mir sind wirklich die Tage zugemessen, da ich doch nun für England entschieden bin, und vorher hier noch studieren muß. Friedländer wartet auf Nachricht wegen Stettin, Neisse, ebenso Stern, jedoch kann ich ja nichts Bestimmtes schreiben, bevor ich von Ihnen Nachricht habe. Adieu, liebster Freund! Grüßen Sie den lieben Grimm, und schreiben
bald
Ihrer
Sie innigst verehrenden
Clara Schumann.

Düsseld. d. 14 Febr. 1855

Vergessen Sie nicht Danzig. Sind Sie entschieden, so möchten Sie doch gleich dahin schreiben, denn in Berlin bedarf doch Alles längerer Vorbereitung, und müßten wir nach Danzig gehen während in Berlin vorbereitet würde, jetzt also vielleicht nur einige Tage dort bleiben. Wird es Ihnen zu schwer so lange, ich meine 3 Wochen, auszubleiben, so lassen Sie mich voraus nach Berlin, dort Alles vorbereiten, und Sie dann für Danzig in Berlin erwarten; kommen wir von dort zurück, so spielen wir in Berlin. Gehts gleich, nun, so thuen wir es jetzt, und reisen nach Berlin nach Danzig. Das sehe ich ja gleich, wenn ich selbst da bin, und spreche Sie ja vorher ausführlich in Hannover. Jedenfalls bleibe ich dort eine Nacht. Sorgen Sie ja, daß wir die Variationen und Melodieen spielen können – ich sehne mich wahrhaft darnach. Eine schöne Viola haben Sie wohl? Addio, zum zweiten und letztem Male heute. Schreiben Sie bald. An Grimm schönen Dank für die freundlich blickende und klingende Dedication! –

Nachmittag.
Eben will ich diesen Brief auf die Post bringen, da kommt mir Ihr heutiger, der mich in seinem Ernste wie seiner Lust erlabte. Gleich, nachdem wir ihn gelesen, gingen wir an die Heinrich-Ouvertüre, Johannes spielte sie wunderbar, und Beide erbaueten wir uns wieder daran, hörten all die herrlichen Klänge, die weichen vollen Melodieen, so warm und kräftig wie sie sind! Sie müssen es Sich nun schon von mir gefallen lassen, daß ich es Ihnen so geradezu sage, wie groß und genial Sie mir in Ihrer Productivität erscheinen, von Ihrem Spiele weiß es eben die ganze Welt, und sagt’s Ihnen, aber als schaffenden Künstler können jetzt nur Wenige Ihr tiefinnerstes Seelenleben erkennen, und daß ich zu Denen Wenigen gehören <> darf, <> beglückt mich innig, das glauben Sie mir. Sagen Sie mir doch, lieber Freund, wie kommt aber Frau Wehner dazu, so zärtlich besorgt zu sein für mich? wer sagt Ihr, daß ich überhaupt nach Kassel will? wer, daß ich dort Concert geben will? wie kann sie sich nur unterstehen für mich um Concerte zu betteln? das ist ja ein unver . . . . . . . . Weib! das ist doch nicht Theilnahme für mich? Eitelkeit ist’s, sie will zeigen, daß sie mit Spohr befreundet. Ich will aber an Spohr schreiben, daß mir’s gar nicht eingefallen Ihn mit Concertangelegenheiten für mich zu belästigen. Hierbei erhalten Sie den Brief zurück. Der Kurfürst, das ist ein schöner Patron, der ließe mich am Ende wohl gar zum Thor hinausjagen. Nach Berlin schreibe ich nun an Friedländer, daß er für nächste Woche vom Mittwoch an einen Tag zu unserem Concerte im Schauspielhause nimmt, Stern um Besorgung des Orchesters bitte, dagegen unsere Zusage zu seinem Concerte giebt, ect. ect. Aber das Beethoven’sche Concert müssen Sie durchaus für unser Concert lassen – Sie werden schon noch Anderes von Beethoven wissen. Wollen Sie nur nach Danzig schreiben, daß wir jetzt (etwa Ende nächster Woche, oder Anfang übernächster Woche) kommen könnten, daß aber die Soireen möglichst schnell aufeinander folgen müssen, sonst kostet es uns zu viel Zeit. Dann fragen Sie aber auch mit an, was ich für ein Instrument bekommen könnte, und auch? scheint’s mir gut, wenn Sie noch einmal wegen einer Garantie erwähnen. Sie können ja darin Bezug auf mich nehmen, und sagen, daß ich die Reise nur unter solcher Aussicht <> unternehme. Härtel schreibt mir heute auch, ob wir unser Versprechen, noch eine Soiree im Februar in Leipzig zu geben, erfüllen würden. Wollen wir’s? Von Danzig aus könnten Sie vielleicht Antwort nach Berlin durch „Friedländer Musikalienhandlung, Wertherstraße N ro 8“ erbitten. Ich werde dort <> wohnen, da ich die Frau so gern habe, und natürlich viel erspare. Schreiben Sie mir recht bald, auch von der Lind, die ich doch gar zu gern einmal wieder spräche. Wäre Johannes nicht hier dann käme ich zu ihrem Concerte schon diese Woche, jedoch möchte ich Ihn nicht eher wieder verlassen, als es meine Pflicht erfordert, es wird ja so bald wieder auf recht lange werden müssen! Leben Sie wohl, lieber guter Freund.

Der Brief von Spohr folgt später – er macht heute so schwer, und das Couvert ist schon geschrieben.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
180-184

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6309-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.